25.01.1997
Tja, mir fällt es schwer Jeans Angaben zu lgauben -
ich tippe eher auf einen akuten Anfall von Heimweh bei ihrer Ankunft,
aber die Eltern wollen sich über die Botschaft
beschweren und dann werde ich vielleicht eines besseren belehrt...
Ich bin ein sehr vorausschauender Mensch, der alles gerne en detail im Voraus plant. Irgendwann
im Sommer wurde mir klar, daß die Tage meines friedvollen Hausfrauendaseins gezählt waren
und unverzüglich begann ich zu planen.
Felix, so mein Plan würde im Winter seine letzte Diplomprüfung bestehen und fortan eifrig an
seiner Diplomarbeit werkeln, die ihn dann so ab Sommer zu einem überbezahlten Angestellten
irgendwo machen würde. Auja!
Sand im Getriebe ist da nur Michaela, die für Kinder typisch weder gewillt noch fähig ist, vormittags
brav und geräuschlos in ihrem Zimmer zu sitzen und zu warten, daß Papi sein täglich Werk an
besagter Diplomarbeit vollbringt, während Mami im Büro sitzt und Kaffee schlürft.
Der nächste Schritt war also die intensive Suche nach einem AuPair.
Netteste Bewerberin war für uns eindeutig Jean aus Südafrika, obwohl man ihr schonend die
Tatsachen über unser Winterwetter beibringen mußte. Sie fragte tatsächlich, ob wir einen
Swimmingpool haben. "Haben wir nicht!", antwortete ich, "lohnt sich für Deutschland auch kaum -
und schon gar nicht von Januar an"
Sie war nicht abgeschreckt und so verabredeten wir schon im Oktober, daß sie dann also von
Januar bis Juli bei uns wohnen und Michaela hüten sollte. Einige Mail tauschten wir zu dem
Thema "wie komme ich zu euch?" aus. Sie war absolut fähig, einen günstigen Flug zu finden,
hatte dann aber Horrorgeschichten über deutsche Taxifahrer gehört.
Nun, ich sagte Jean, daß man diese Geschichte immer über die Taxifahrer des Landes hört, das man
gerade besuchen möchte und vergaß diese Problematik sofort wieder.
Samstag war der Tag an dem Jean kam.
Leider lernte ich sie nie kennen,
denn:
Samstag war dann aber auch der Tag, an dem Jean wieder verschwand.
Samstag war unter anderem auch der Tag, an dem meine Grippe kam, aber wen interessiert das schon...
Der beste aller Ehemänner hatte den samstäglichen Einkauf übernommen,
die beste meiner Töchter spielte bei den Nachbarn
Da klingelte das Telefon.
Jemand namens Detlef erzählte mir, daß Jean morgens in Köln angekommen sei,
ein Taxifahrer ihr all ihr Geld abgenommen hätte, die Polizei unsere Adresse nicht ausfindig
machen konnte, unser Telefon kaputt sei und Jean nun nach Frankfurt zurückfahren würde.
"Was für ein Blödsinn", dachte ich und "was für ein Blödsinn!" sagte ich.
Nein, jener Detlef bestand auf seine Geschichte und ich folgerte messerscharf, daß dies ein
dummer Scherz sei und sagte freundlich, daß ich nun wieder auflegen würde und legte wieder auf.
Kurz darauf rief George an - einen besorgten Vater erkenne ich immer - aber rätselhafter Weise erzählte
er die gleiche Geschichte. Kurz darauf hatte ich auch die Mutter am Telefon, die mir vorwarf, meine
Adresse sei falsch und mein Telefon kaputt. Nun, ich sagte freundlich, daß die Adresse richtig sei
und das Telefon funktionieren müßte, sonst würden wir ja nicht miteinander telefonieren, oder?
Aber endlich hatte ich begriffen, daß ich dringend etwas unternehmen sollte.
Jean wollte den nächsten Zug zurück nach Frankfurt nehmen und ihre Mutter forderte uns nun
energisch auf, zu verhindern daß sie wieder nach Südafrika fliegt, da der Flug ja sehr teuer gewesen
sei. Mir war einfach nicht klar, weshalb sie überhaupt wieder abfliegen wollte - aber ok, darüber
konnte man ja noch später nachdenken.
Felix war mit den Einkäufen zurück und düste zum Bahnhof, während ich mit der Bahnhofspolizei
telefonierte. Dort war übrigens an dem Tag keine Jean, die nach uns gesucht hatte...
Aber man war sehr nett und gab mir eine Nummer, damit man Jean am Bahnhof ausrufen konnte.
Das tat man auch - sehr nett und auf englisch, aber entweder hatte sie noch den Zug in der letzten
Stunde erwischt, oder sie hörte die Ansage nicht.
Nun, Felix sah zwar noch den Zug, aber sie nicht mehr und wir mußten einsehen, daß sie nun
tatsächlich nach Frankfurt gefahren war und laut ihrer Mutter kein Geld mehr für die Fahrt nach Köln
zurück hätte.
Nun, ich telefonierte mit der SouthAfricanAirline und geriet dabei an wirklich hilfsbereite Angestellte.
Man würde Jean sagen, daß ich angerufen hätte, man würde Jean einen Bon geben, damit sie eine
Mahlzeit bekam und man würde Jean helfen, mich anzurufen.
Dann telefonierten wir durch die Gegend, wer denn Michaela nehmen könnte, denn - ja, interessiert
keinen Menschen, aber meine Grippe forderte nach Schlaf, abgedunkelten Räumen, Ruhe und noch
mehr Tee. Meine Schwester biß, laut lachend über die chaotische Geschichte, in den sauren Apfel
und so brachte Felix erst Michaela weg und brach dann auf nach Frankfurt, um unser AuPair dort wieder
abzuholen.
Im Radio liefen ermunternde Nachrichten über Schnee, Eisregen und Nebel
aber Jeans Mutter hatte mich - so von Mutter zu Mutter - so weit, daß ich ihr versprochen hatte,
daß wir ihr Töchterlein mit dem Auto dort abholen würden.
Beim Einschlafen kam mir noch kurz der Gedanke, wie hirnrissig die ganze Angelegenheit doch war
und ob sie wirklich eine gute Wahl als AuPair war, wenn...
Das Telefon klingelte und Detlef teilte mir mit, daß Jean in Frankfurt sei und ihren Rückflug gebucht
hatte. Was? Die SouthAfrican hatte doch gesagt, die Schalter machten erst um 17 Uhr auf, da die
Maschine erst um 21 Uhr sonstwas fliegen würde? Ja, sie hatte bei der Lufthansa einen Platz
bekommen und das könnte sie nun auch nicht mehr rückgängig machen, das würde dann 50% des
Flugpreises ausmachen.
So ein Blödsinn, dachte ich - bei Grippe neige ich zu Wiederholungen - und sagte Detlef, daß Felix
ja bald in Frankfurt sein würde. Ach, das würde nichts nutzen - seine Mutter sei ja auch schon unterwegs
nach Frankfurt - man hatte Jean angeboten, eine Woche in Königswinter zu bleiben, bei Verwandten,
die ihr helfen würden uns zu finden.
Ich versuchte das zu sortieren - ist mir bis heute nicht gelungen - aber, eins ist mir klar, mindestens eine,
wenn nicht sogar 2 Tanten sind an dem Tag nach Frankfurt gefahren um Jean davon abzuhalten,
wieder nach Südafrika zu fliegen - und sie wußte, daß sie sicher bei Verwandten untergebracht
werden könnte.
und sie wollte trotzdem lieber nach hause fliegen
Ich meine, sie flog ja auch wieder...
Aber bis dahin unternahmen wir noch einiges, um dies zu verhindern.
Ich rief die SouthAfrican an, die mir freudig berichteten, sie hätten Jean gefunden -
auf bestem englisch erklärte ich Jean, daß Felix bald da sei, um sie abzuholen -
nein, sie wollte nach hause
ich redete nett auf sie ein, sie sollte ersteinmal mit zu uns kommen, sich ausschlafen und dann
könnte sie ja immer noch zurückfliegen.
Ich gebe zu, als AuPair würde sie vielleicht nicht viel taugen, aber mir tat es leid für sie, wenn sie
die Chance nicht nutzen würde, sich Deutschland noch ein wenig anzuschauen - na, und wer
wußte schon, was nun eigentlich vorgefallen war, daß sie so durchgedreht war?
Vielleicht konnten einige Stunden Schlaf sie ja doch wieder in einen vernünftigen Babysitter verwandeln?
Nach einiger Zeit stimmte sie mir zu, jetzt ersteinmal etwas essen zu gehen und dann auf Felix zu
warten. Sie versicherte, nicht zwischenzeitlich in ein Flugzeug zu steigen.
Beruhigt rief ich die Eltern in Südafrika an (unsere Telefonrechnung!!!) und teilte ihnen mit, daß
Jean bleiben würde. Detlef erzählte mir daraufhin, daß er auch 3 Jahre in Deutschland gelebt hatte -
ein scheußliches Land. Er hatte ja gedacht, in Deutschland käme er von den "Negers" weg, aber
hier bei uns gäbe es ja noch mehr "Negers" und Türken und...
Ich berechnete meine Chancen, ihn von so einem Schwachsinn abzubringen, ohne uns über die
Telekom zu ruinieren - gab auf und meinte nur "Hahaha, das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen".
Ich wollte jetzt nur noch schlafen - morgen, wenn das AuPair ausgeschlafen war, dann konnte man
weitersehen. Felix und sie würden irgendwann nachts zurückkommen und er könnte ihr ihr Zimmer
und das Bad zeigen - nein, kein Grund für mich zum Aufbleiben - ich sank in die Kissen und -
das Telefon klingelte und Felix erzählte mir, Jean wollte nach hause fliegen.
"Laß sie! Komm nach hause und laß sie fliegen - wer weiß, was wir uns mit der noch für einen Ärger
einhandeln würden!?"
Wir baten sie noch, ihre Eltern und diverse Tanten zu informieren und dann kam Felix nach hause.
Am nächsten Tag bekamen wir Mail aus Südafrika.
Jean war sicher wieder daheim, aber erkältet -
und alles sei unsere Schuld,
weil wir sie nicht vom Flughafen abgeholt hatten,
weil der Taxifahrer ihr 150,- DM abgenommen hatte, ohne sie zu uns zu bringen
weil die Polizei angab, die Adresse gäbe es nicht
weil unser Telefon kaputt war
und überhaupt...
Für das "Neue von der Hausfrau" wäre sie bestimmt eine Bereicherung gewesen - ich sehe die
Geschichten schon vor mir... der Tag an dem Jean ohne Michaela nach hause kommt und keine
Ahnung hat, wo das Kind geblieben ist... der Tag an dem sie aus dem Supermarkt um die Ecke
nicht heimfindet... der Tag an dem sie das falsche Kind vom Spielplatz mitgebracht hat...
der Tag an dem Detlef (entpuppte sich übrigens als Verlobter) herausfindet, daß wir hin und
wieder "Negers" und Türken beherbergen...