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Knapp drei Woche ist es her, da schleppte ich Berge von Kinderspielzeug und -kleidung in unser Auto.
Als alles verstaut war, lockte ich auch die Kinderlein in den Wagen, verhinderte mit Erfolg, daß sie
Brotkrumen oder Steinchen ausstreuen konnten und brachte sie in den tiefen, tiefen Wald.
Halt nein, ich brachte sie zu meiner Schwester auf den Bauernhof.
Michaela freute sich schon sehr, während Oliver es wohl für einen unserer wöchentlichen
Ausflüge zu seiner Tante hielt. Und ich? Ich schluckte tapfer gegen den großen Kloss in
meinem Hals an, tätschelte beiden noch einmal den Kopf und verabschiedete mich wieder.
Michaela wußte, daß wir sie nun über eine Woche auf dem Hof liessen, aber was wußte
Oliver? Ich fühlte mich wie eine Verräterin und wäre vielleicht doch noch einmal eingeknickt,
hätte mich meine Schwester nicht mit sanfter Gewalt in mein Auto geschubst und uns einen schönen
Urlaub gewünscht.
Der Anfang blieb holprig. Wir versuchten uns zu freuen und als Zeichen unserer Freiheit gingen wir
in einen nahegelegenen urigen Biergarten, um noch eine Kleinigkeit zu essen. Die Idee hatten viele
und die Kellnerinnen waren hoffnungslos überfordert. Sonst habe ich dafür immer Verständnis,
aber an dem Abend hätte ich gerne eine der jungen Damen geschüttelt und ein wenig angeschrien.
Statt dessen wechselten wir das Lokal und setzten uns direkt neben der bestbefahrenen Hauptstrasse
unseres Vororts auf die Plätze eines griechischen Restaurants, wo wir prompt und sehr sorgfältig
bedient wurden. Meine Idee, die Kinder am nächsten Morgen wieder abzuholen, verwarf Felix mit
der Beteuerung, daß mir der Urlaub morgen sicher Spaß machen würde, sobald wir losführen.
Gegen 4.30 Uhr fuhren wir dann tatsächlich. Felix brachte uns durch mein Lieblingsdurchfahrland
Belgien bis Callais, wo unser Urlaub dann fast an einer neumodischen Toilette im Hafen gescheitert wäre.
Zuvor hatten wir bereits kurz mit meiner Schwester telefoniert, die meinte, daß die Nacht gut verlaufen
wäre. Im Hintergrund hörte ich kein Oliver-Gebrüll und den Gedanken, daß er nur noch
entkräftet wimmern konnte, verwarf ich wieder. Mein Schwesterlein hatte ihre letzte Chance auf schnelle
Umkehr verwirkt und ich stapfte nun zu einem großen Gebäude mit verheissungsvollem WC-Zeichen.
Die Toilette war ungewöhnlich sauber, aber ich fand kein Dings zum Abziehen. In der Hoffnung auf eine
Art Lichtschranke fuchtelte ich ein wenig mit den Händen herum, hob und senkte des öfteren
den Deckel, trat energisch auf den Türstopper und gab dann entnervt auf.
Als ich die Tür öffnete, ging die Spülung los. Ich öffnete die Tür zur nächsten
Kabine - es spülte - ich schloß die Tür wieder - die Spülung rauschte wieder los.
Ich hätte den Trick gerne noch ein paar mal ausprobiert, aber als ich losgegangen war, fuhren bereits
die ersten Autos von der anlegenden Fähre herunter, so daß Felix vermutlich gerade schon Blut
und Wasser schwitzte, er käme an die Reihe auf die Fähre zu fahren, während sein holdes
Weib noch auf einer Toilette thronte.
Auf der Fähre genoß ich die Kinderlosigkeit dann in vollen Zügen. Mußten wir doch nun
nicht 2 Kinder dafür loben, schon 4 Stunden im Auto ausgehalten zu haben (und schon gar nicht
darauf vorbereiten, noch locker 4 Stunden vor sich zu haben...)
Statt dessen erforschten wir die Fähre. Faszinierend war die Spielhölle, in der gerade ein
Knirps im "House of Horrors" Monster erschoß, die dann grünen Schleim spuckend zerplatzten.
In einem Geschäft entdeckte ich dann: tatda! Mrs. Kartoffelkopf - hier "Charlotte Naseweis"
genannt, die ich seit Wochen vergeblich über das Netz bestellen wollte. Mutig kaufte ich sie nicht,
da sie auf der Fähre sicher überteuert war. Dafür hätte ich mich dann einige Tage
lang in den Hintern beißen wollen, denn ich sah sie nirgends mehr.
Schliesslich mieden wir in der Folgezeit größere Orte und somit auch Spielwarengeschäfte - aber
um es vorweg zu nehmen - auf der Rückfahrt, beim Bummel durch Oxford, fiel sie uns doch in die Finger.
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Die weißen Felsen von Dover kamen in Sicht und mein Teil der Fahrt begann. Traditionell fahre ich
nämlich, sobald wir in England sind. Das ist übrigens nicht weiter schwer, obwohl die
Engländer links fahren. Ein rechter Aussenspiegel, oder guckender Beifahrer ist allerdings von Vorteil.
Von Dover düsten wir Richtung London über die M25, die Chris Rea so passend in "Road to hell"
besingt. Irgendwo gab Felix dann ein grottenfalsches "geradeaus" von sich, gefolgt von einem lapidaren
na, dann müssen wir jetzt wohl quer durch London durch fahren, was ich aber verhindern konnte.
Statt dessen landeten wir nach kurzem, aber schweißtreibenden Umweg wieder auf der richtigen
Autobahn. Auf der Autobahn muß man auf der linken Spur ziemlich aufpassen, daß man nicht
einfach Gas gibt und alle links überholt, denn ähnlich wie die Deutschen, halten sich auch
die Engländer gerne auf der Überholspur auf. Die Kinder oder gar Hunde auf den Fahrersitzen
konnten mich dieses Jahr aber schon nicht mehr verblüffen - irgendwo habe ich das "Inselfahren"
wohl doch schon verinnerlicht.
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In einem "Welcome break" kaufte ich meinen Kindern dann allerliebste Strümpfe mit plastischen
Hasenköpfen und Feuerwehrautos darauf und für mich einen Stapel dieser unvergleichlichen
Diät-Zeitschriften, in denen man dann die Tatsachengeschichten über Frauen lesen kann,
die von unglaublich vielen Steinen auf ganz wenig Steinchen zusammengehungert sind. Ich liebe diese
Vorher-Nachher Bildchen. Das erinnert mich immer an die Fernsehwerbung mit dem durchgeknallten Moderator,
der eine Treppe heruntergehopst kommt und "das schmeckt lecker, ich fühl mich so fit" erzählt.
Dann sieht man ein Bild, auf dem er seinen Bauch nicht einzieht und dann sieht man wieder ihn, wie er
den Bauch einzieht.
Klasse!
Wobei ich einmal gehört habe, daß Roseanne die gleiche Pampe essen sollte und dann das Geld
zurückerstatten sollte, weil sie nicht ein Pfund abgenommen hatte. Darauf hatte sie gedroht zu
verbreiten, daß das Zeug nicht schmeckt und auch nicht wirkt. - aber keine Ahnung, ob das stimmt.
Nun, die Autobahnen zum Zielort wurden schmaler, wechselten zu einer Schnellstrasse, wurden zur normalen
Strasse und wand sich durch Täler, an Flüssen vorbei, um schliesslich zum "Cross Foxes" zu führen,
bei dem wir dann auf einen einspurigen Mini-Feldweg abbogen.
Die Wegbeschreibung hatte mir schon gefallen - wir sollten am Cross Foxes abbiegen, dann von unserem
Feldweg in einen noch kleineren abbiegen, sobald wir eine rote Telefonzelle sähen und dann noch
einmal abbiegen, sobald wir einen Bauernhof sähen.
Das klingt doch so richtig schön abgelegen, oder?
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Auch die Beschreibung des Hauses war schon sehr ansprechend:
A very attractive C16th cottage adjoining the owners' farmhouse with good views on the lower slopes of Cader Idris,
between Cross Foxes (one mile) and Dolgellau, 10 miles from sandy beaches at Barmouth or Fairbourne. Formerly a
Quaker meeting house and with an oak-panelled hall and living room, the cottage has one large bedroom with double and
single beds (+ washbasin), a small bathroom, kitchen with washing machine, tumble dryer, fridge/freezer and microwave,
and a lovely beamed living/dining room with an open fire and TV. Two radiators run off owners' system, electric fire.
Own enclosed lawn, picnic furniture, excellent walking from the door, 10 minute walk to licensed restaurant.
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Stimmungsvoll und heimelig war dann der Regen, der prompt in dem Moment so stark einsetzte, daß wir erst einmal
eine Weile gemütlich im Auto blieben, bevor Felix dann zum Haus hüpfte und stilecht einen
schmiedeeisernen Türklopfer vorfand.
Heraus kam Amanda, die uns um den Hof herum zu unserem kleinen Paradies führte. Ein winziges, verwinkeltes
und wunderschön kitschig möbliertes Paradies mit niedrigen Decken und niedrigeren
Deckenbalken, die noch nähere Bekanntschaft mit Felix Stirn machten *bonk*
So, im nächsten Teil erfahrt Ihr dann, wie es in Wales/Dolgellau weiterging, wie wir einen hoheen
Gipfel erklommen und Felix todesmutig an einem Stier vorüberging - und wo ich beerdigt werden möchte...
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