Eigentlich ist der Tag heute komplett schiefgegangen. Es kam wirklich nichts so, wie ich es geplant
hatte. Der Vormittag war noch ok. Ich hatte Oliver in den Kinderwagen gesetzt und war in die Stadt
gefahren, wo ich dann meine Freundin Ari in ihrem Wollgeschäft besuchte. Ich gestehe, ich wollte
Laden schreiben, aber die Anzahl der L hat mich überfordert...
Da ich gerade zwei Pullis stricke, wähnte ich mich finanziell in Sicherheit. Besuche bei Ari
sind oft sehr teuer, weil ich dort immer wieder Lust bekomme, etwas Neues zu stricken. Aber wie
gesagt, derzeit habe ich wirklich genug Wolle, weil ich Michaela einen braunen Pulli mit Puh dem
Bären gestrickt habe und Oliver einen grünen Pulli mit Klopfer dem Hasen bekommt.
Michaelas Pulli habe ich im Gästebett gespannt - ich muß unbedingt daran denken, ihn vor
Donnerstag abzumachen, sonst hat unser Besuch lauter Nadeln im Bett...
Kinderpullis gehören für mich zum Frühling einfach dazu.
Nach einer halben Tasse Kaffee war ich schon 5,- DM quitt, weil mir ein schönes Orange ins
Auge gestochen war, aus dem ich Klopfer nun eine Möhre stricken werde. Oliver saß friedlich
in seinem Kinderwagen und verhinderte nicht, daß mein Blick auf ein weiteres Paar Pumps fiel.
Ich wette diese Kombination bietet Ari eh nur wegen mir an - Wolle und Pumps...
Ich habe genug Schuhe, mehr als genug, aber da ich in Frühlingslaune die festen Schuhe eh schon
gegen Pumps und Nylons eingetauscht hatte, konnte ich diese Pumps nun auch eben noch anprobieren. Nur so,
um zu sehen, wie sie wirken. Ari meinte, sie machten einen schlanken Fuß - bevor sie auch noch
behauptete, daß sie einen schlanken Hintern machten, gab ich mich auch schon geschlagen und
sah vor mir, wie ich den besten aller Gatten abends aus dem Büro abholte und meine ohnehin schon
wahnsinnig elegante Erscheinung durch diese Pumps noch unterstrichen würde.
Ja, ok, ich weiß auch, daß er im Leben nie gemerkt hätte, daß ich neue Schuhe
anhatte. Die Zeitform ist jetzt falsch gewählt, denn die Schuhe stehen noch originalverpackt
im Kleiderzimmer - mein Babysitter hat nämlich abgesagt...
Stopp, ich sollte erst noch erwähnen, daß ich mich natürlich ca 20 Minuten zu lange in
der Stadt aufgehalten hatte. Entscheidende 20 Minuten, die aus meinem sanftmütigen Sohn ein
quengelndes Monster machten, der die Strassenbahn damit unterhielt, daß er entweder ungehalten
auf mich eindrosch, oder seine Flasche auf den Boden feuerte.
Ich fand sein Verhalten angemessen - aber der zweite Kaffee war mir den Trubel wert gewesen. An den
Minen der anderen Fahrgäste konnte ich sofort die Mütter von den Nichtmüttern unterscheiden.
Mütter sind durch quengelnde Kinder nicht aus der Ruhe zu bringen - insgeheim geniessen wir Mütter
es ganz ungemein, wenn fremde Kinder quengeln. Die eigenen wirken dadurch soviel netter...
Wenn Oliver wütend ist - und das ist er, wenn er nach 13 Uhr in der Strassenbahn sitzt, statt
in seinem Bettchen zu liegen und seine Flasche zu leeren, tut er dies kund, indem er a) nach jedem
schlägt, der in seiner Reichweite ist, b) Dinge auf den Boden schmeisst und c) energisch nach
Dingen verlangt, die er auf den Boden schmeissen kann.
In wenigen Monaten kann ich mich schlicht entschuldigen, wenn ich mich vertrödle, und ihm die
tollsten Versprechungen für unverdientes Wohlverhalten machen - aber derzeit eben noch nicht.
Also hob ich klaglos die Flasche auf, und packte irgendwann noch Schokolade aus.
Eine junge Frau meinte daraufhin zu mir, sie würde ihm nicht noch Schokolade geben, wenn er so
frech ist. Er ist nicht frech, sagte ich, sondern zu Recht empört. Sie grinste
und meinte, sie müßte wohl noch viel lernen, habe aber noch bis September Zeit...
Frühling...
Im Frühling fühlt man sich von Schwangeren quasi umzingelt...
Und von balzenden Jugendlichen. Im Herbst laufen sie noch als Kinder durch die Siedlung und im
Frühling hat man dann plötzlich lauter sonnenbankgebräunte junge Männer und
bunt geschminkte Backfische rund um blitzeblank geputzte Autos herumstehen.
Oliver kann sein Glück derzeit nicht fassen - und ich begreife, daß seine Leidenschaft
zum Staubsauger männlicher ist, als ich gedacht hatte. Wo man derzeit nämlich hinkommt,
stehen junge Männer mit Staubsaugern auf der Strasse, die ihre Auto-Fussmatten saugen.
Oliver ist ein absolutes Klischeekind mit Hang zu Autos, Kippschaltern, Bällen, Elektroschnickschnack und
Staubsaugern. Von mir hat er wohl nur die Vorliebe für Pumps geerbt, was Felix aber gelegentlich
leicht verunsichert...
Während Oliver schlief, schmückte ich den Apfelbaum mit wetterfesten Plastikeiern. Ich kann
nicht fassen, was ich da tue. Ich, die ich die Natur so liebte, habe über die Jahre eine immer
grösser werdende Sammlung von wetterfesten Plastikeiern, die ich zum Frühlingsanfang in den
Apfelbaum hänge. Erst gestern habe ich 50 Stück dazugekauft, weil der Baum einfach noch nicht
bunt genug war. Mein hämisch kichernder Nachbar konnte mich gar nicht verunsichern. Unbarmherzig
hängte ich ein Ei nach dem anderen an die jungen, dünnen Ästchen, nippte gelegentlich
an meinem Milchkaffee und stellte mir vor, wie Felix in wenigen Wochen dann wieder vor der heiklen
Aufgabe steht, die Eier von den mittlerweile mit Blättern und hoffentlich auch Äpfeln gefüllten
Ästen zu pflücken...
Hm, Äpfel kommen eigentlich eh erst im Herbst, richtig?
Unsere Obstbäume blühen zwar immer tüchtig, tragen aber eigentlich kein Obst.
Ich finde es immer wieder witzig, wenn mir geraten wird, eine Gartenrubrik einzuführen.
Ich liebe meinen Garten ja innig, aber mit wenig Erfolg. Krokusse und Tulpen weiß ich
sachgemäß in großen Mengen zu verbuddeln, keiner kann Primeln schneller pflanzen als
ich, aber ansonsten bin ich eine ziemliche Niete.
Mein Garten ist mehr eine Art zweites Wohnzimmer - ich liebe es, im Garten morgens Wäsche aufzuhängen.
Die erste Wochentagsfrühlingssonne nutze ich, um Berge von Schuhen zu imprägnieren.
Kaum war ich mit den Eiern fertig, kam die Absage des Babysitters. Michaela hatte dann prompt die
Tränen in den Augen, als ich ihr das dann im Kindergarten sagte. Kurz darauf plätscherten
sie dann auf den Boden, denn zu der Absage kam, daß der falsche Name in ihrem Fahrradhelm stand.
Eher gesagt, daß ein Kind mit dem falschen Helm gegangen war.
Ihich wihil meiheinen Hääääälm heulte sie, weshalb ich kurz darauf
bei dem anderen Kindergartenkind vor der Tür stand und einen Helmtausch arrangierte...
Meine spontane Idee, doch einfach mit den Kindern in die Stadt zu fahren und dann noch mit allen im Stadtgarten
ein Kölsch zu trinken war auch ein Flop, denn als wir glücklich in Köln waren, hatte
sich die Sonne verabschiedet und Michaela bestand auf Mc Donalds.
Es ist nicht das ungeheuer schmackhafte und gesunde Essen, was sie lockt, sondern das Spielzeug, das
es zu jeder Juniortüte gibt und die Rutsche...
Da lange nichts schiefgegangen war, kippte Oliver zum Abschied noch schnell eine Limonade über den Tisch.
In der Strassenbahn jammerte Michaela dann, wann wir endlich zuhause wären und ich schloß die
Augen und grinste.
Eigentlich war es ein herrlicher Tag gewesen.