11.11.1997
Also, wer derartige Aussagen von mir erwartet, liegt ziemlich falsch!
Und wer mir vorhält, daß die Kinder von nichtberufstätigen Frauen
überbehütete, unselbständige Tyrannen werden, die von ihren geistig
trägen Müttern nicht ausreichend gefördert werden können, nervt mich
auch nur.
Aber das sind die beiden Gruppen, die sich gegenseitig mit honigsüßen,
kleinen Andeutungen das Leben schwer machen.
"Oh, Klein-Susi sieht aber blass aus - sind sie denn sicher, daß die
Tagesmutter oft genug mit ihr an die frische Luft geht?"
"Also, NUR Hausfrau - ich kann sie nur bewundern, daß ihnen das reicht -
ich brauche einfach gelegentliche intellektuelle Herausforderungen"
Trotzdem haben wir Nicht-Berufstätigen es natürlich besser. Wir sprechen
das verletzliche Gewissen der Rabenmütter an. Studien belegen, daß ein
Großteil der berufstätigen Mütter das Gefühl hat, die Kinder zu
vernachlässigen, auch wenn sie in Gesprächen lauthals das Gegenteil
behaupten.
Nun, ich denke, man sollte mit dem Humbug aufhören.
Soll arbeiten, wer kann, wer möchte, oder wer muß - den Kindern sieht
oder merkt man es im allgemeinen sicherlich nicht an. Und ich als
derzeit NUR-Hausfrau sitze im Moment doch auch vor dem Computer, statt
mit einem Pappkarton und 42 gleichgroßen Kieseln einen Spiel Computer
für mein Töchterlein zu basteln, oder mir ihr Gesabbel über den
Kindergarten anzuhören. Meist bastel ich gerne Spielcomputer und liebe
ihr Gesabbel über Dinosaurier und Drachen, die es wohl gab - nämlich,
als Michaela noch nicht meine Tochter war, ätsch!
Aber manchmal, manchmal da liebe ich es, die Bürotür hinter mir zu
verrammeln und Eure Beiträge auf meine Seite zu stellen.
Durch das vermutlich niemals endende Studium meines Mannes kenne ich
beide Rollen - die berufstätige Mutter und die NUR-Hausfrau - und ich
habe auch einige "Hausfrauenjobs" kennengelernt.
Aber wie gesagt, ich frage mich, wie dieses Konkurrenzdenken je
aufkommen konnte. Wie kam man auf die Idee, NUR-Hausfrauen seien
ziemlich dämlich und daß die Kinder berufstätiger Mütter vernachlässigt
würden???
Die Männer halten sich aus unserem Krieg fein heraus und verhindern
vermutlich Studien über die Auswirkung fehlender "väterlicher
Aufmerksamkeit" auf die Psyche der Kinder. Der durchschnittliche Vater
widmet sich täglich durchschnittlich 20 Minuten seinen Kindern. Wer
weiß, was für eine edle Gattung der Mensch sein könnte, wenn Väter sich
viel mehr um die Kinder kümmern würden???
Als ich nach Ende meines ersten Erziehungsurlaubs einige Monate bis zum
Beginn des Mutterschutzes wieder arbeitete, verblüffte mich, wieviele
Menschen sich besorgt nach der Betreuung meiner Tochter erkundigten.
Wenn ich sie informierte, daß mein Mann auf sie aufpaßte, lobte man ihn
umgehend dafür. Da hätte ich aber Glück mit meinem Mann etc.
Schon mal erlebt, daß ein Kollege Vater geworden ist? Mußte er dann auch
vor Glück den Boden küssen, daß seine Frau fähig und willens ist, den
Nachwuchs zu betreuen??? Oder - schon mal erlebt, daß der Kollege einer
der vielgepriesenen "Neuen Männer" ist und ernsthaft über
Erziehungsurlaub nachgedacht hat - oder ihn gar genommen hat???
Es gibt Berichte, daß die 3 Männer, die tatsächlich Erziehungsurlaub
nahmen, bei der Rückkehr in ihren Betrieb benachteiligt waren.
Na, so eine Unverschämtheit - und ein guter Grund für die anderen
Männer, lieber keinen Erziehungsurlaub zu nehmen!!!
Daß uns Frauen mittlerweile regelmässig bei Rückkehr in den Beruf ein
Aufhebungsvertrag angeboten wird, daß uns klargemacht wird, daß leider
keine ganz und gar gleichwertige Stelle zu bekommen sei - ach, daß wir
Frauen allein durch die Tatsache, daß wir überhaupt irgendwann einmal
Kinder bekommen könnten, jobmässig benachteiligt werden, beeindruckt
dagegen niemanden.
Väter stellen ein Foto ihres Kindes auf ihren Schreibtisch und lassen
gerne den stolzen Papi heraushängen -
berufstätigen Müttern wird in jedem Ratgeber eingetrichtert, um Himmels
Willen keine Kinderfotos mit in das Büro zu bringen, da ihnen sonst
umgehend unterstellt wird, sie seien nicht ganz bei der Sache.
Und so weiter und so weiter...
Oh, ich will nicht die Männer angreifen - ich möchte nur verdeutlichen,
daß ich persönlich diese Konkurrenz zwischen berufstätigen Müttern und
nicht berufstätigen Müttern höchst überflüssig finde.
Und, liebe Rabenmütter - so lange die berufstätigen Väter sich nicht mit
schlechtem Gewissen plagen und ungefragt versichern, daß sie am
Wochenende dann aber voll und ganz für die Kinder da sind, daß sie die
ideale Betreungsperson für ihr Kind haben, daß ihr Kind ungewöhnlich
fröhlich sei, hochintelligent und überhaupt nicht unter ihrer
Berufstätigkeit leidet - so lange solltet Ihr Euch auch nicht dauernd
unter Beweisnot sehen!