Erfahrungen eines berufstätigen Hausmannes
Die Doppelrolle Erfahrungen eines "berufstätigen Hausmannes" Definition: Ein berufstätiger Hausmann ist eine seltene Spezies in unserer Gesellschaft.In diesem Jahr werden unsere Zwillinge 18 Jahre alt, somit "erwachsen", und es ist an der Zeit einmal Bilanz zu ziehen und vor allem für mich selbst diese überaus aufregenden, interessanten aber auch sehr mühevollen Jahre zu reflektieren.
Voranstellen möchte ich noch, dass ohne den mindestens gleichwertigen
Einsatz meiner lieben Gina in ihrer Doppelrolle als "berufstätiger
Hausfrau" diese Konstellation gar nicht möglich gewesen wäre!
Der einzige Unterschied zu mir besteht lediglich darin, dass
hunderttausende von Frauen diese Doppelrolle besetzt halten, aber
vermutlich nur wenige Männer und das ist schon des Nachdenkens wert.
Ich meine jetzt nicht die "nur Hausmänner", die vorübergehend und
freiwillig oder durch Arbeitslosigkeit gezwungen, sich in dieser
Situation befinden. Sie alle haben den "Vorteil", ohne gleichzeitige
Berufstätigkeit ausschließlich ihre Aufgabe wahrnehmen zu können, wie es
für "nur Hausfrauen" ja auch gilt.
Es ist aber bekannt, dass auch hier wiederum ein beträchtliches
Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern besteht. Dies hat natürlich
auch gesellschaftspolitische Ursachen!
Anzufügen wäre noch, dass ich nach meinen Erfahrungen mit Fug und Recht
sagen kann, dass es für uns alle höchste Zeit ist, mit den Begriffen wie
"nur Hausfrau" oder " nur Hausmann" differenzierter und respektvoller
umzugehen.
Das "nur" hat immer noch einen abwertenden Klang. Ich weiß, wovon ich
rede.
Es ist ein Tabuthema und leider gibt es nicht wenige Menschen, die-
durch den Zeitgeist verführt- sich über das "Heimchen am Herd" oder das
"arbeitsscheue Weichei" lustig machen.
Hier nun in Stichworten, dem Medium Internet angepasst, eine kleine
Sammlung von Fakten, Erfahrungen und ganz persönlichen Ansichten.
Ein paar Daten zu meiner Person: 1938 geboren, Fotograf, zum zweiten Mal
verheiratet, drei Kinder (ein Sohn aus erster Ehe, Zwillinge aus der
zweiten). Wir wohnen in einem Dorf südlich von Hamburg.
Das große Abenteuer begann, als bei der ersten Ultraschalluntersuchung
meiner schwangeren Frau zwei Kinder unübersehbar auf dem Monitor vor
sich hin pulsierten. Wir ahnten, dass da etwas Besonderes heranwuchs,
aber auch eine große Herausforderung auf die überraschten Eltern
wartete. Wir wurden nicht enttäuscht.
Nach Risikoschwangerschaft, Kaiserschnitt; die beiden dem Brutkasten
knapp entgangen, holten wir unsere Schätze Ende Oktober 1981 nach Hause.
Hier ging es die ersten Monate hoch her. Sozusagen rund um die Uhr im 2
Stundentakt- füttern, wickeln, füttern und wickeln, füttern und ....ja
was wohl?
Wir hatten niemand, der uns in dieser Zeit unterstützte, keine
Großeltern, die ihre Enkel verwöhnt und gelegentlich die völlig
erschöpften Eltern entlastet hätten.
In dieser Zeit fiel uns auf, wie wenig Hilfe oder zumindest moralischen
Zuspruch unsere Gesellschaft Eltern in dieser Lage zukommen lässt und
wie isoliert wir waren.
Natürlich hatten wir Freunde, die gelegentlich zu Besuch kamen und sich
auch teilnehmend verhielten. Trotzdem fühlten wir uns irgendwie im Stich
gelassen und ganz auf uns selbst gestellt.
In dieser Zeit hatten wir noch die klassische Rollenverteilung: Vater
geht zur Arbeit, Mutter bleibt zuhause. Also nichts Besonderes.
Das änderte sich, als die Aufträge für den selbständigen Fotografen
plötzlich spärlicher wurden und eine finanzielle Notlage nur vermieden
werden konnte, weil Gina wieder ihren Beruf als Sekretärin aufnahm.
Die Kinder waren zu dieser Zeit noch nicht einmal zwei Jahre alt.
Jetzt hatten wir eine neue Situation, auf die wir vier uns erst
einstellen mussten. Vor allem für mich war die neue Aufgabe mit ihrer
doch ungewohnten Verantwortung zu Anfang eine große Belastung.
Wollte ich doch alles besonders gut machen. Niemand hatte mich auf diese
Rolle vorbereitet. Ab sofort hatte ich tagsüber eine qualifizierte
Hausfrau zu ersetzen und auch noch zu wechselnden Zeiten beruflich aktiv
zu sein.
Doch irgendwie wurde ich mit diesen Herausforderungen fertig und denke
auch, dass mir dies sogar relativ gut gelungen ist.
Was mich allerdings immer wieder verwunderte, war die zwiespältige
Reaktion der Mitmenschen auf meine Situation.
Die Skala reichte von völliger Zustimmung, ja sogar leichter
Bewunderung, über völlige Gleichgültigkeit bis hin zu Unverständnis und
Ablehnung. Wenn ich so- die Kinder in der Zwillingskarre- unterwegs war,
konnte ich dies besonders gut feststellen. Lange Zeit war ich "der
Arbeitslose mit den Kindern" und konnte das Getuschel der Leute ahnen.
Am spontansten in positiver Hinsicht waren noch die älteren Frauen, die
allerdings auch mehr von der unbestreitbaren Attraktivität meines
kleinen Pärchens, als eines Mannes in mittleren Jahren, in Anspruch
genommen wurden.
Nach drei Jahren bedeutete der Ganztagskindergarten für mich eine
gewisse Entlastung. Obwohl das pünktliche Hinbringen und Abholen auch
oft in Stress ausartete, z.B. wenn sich Lenas rechter Schuh und die
Mütze von Hans absolut nicht finden lassen wollten. Dies war besonders
ärgerlich, wenn ich mit einem Ohr die Verkehrsdurchsagen hören musste
und über den üblichen Stau informiert wurde, während ich mit dem anderen
das Gebrüll mindestens eines der Kinder vernahm. Da hieß es, die Nerven
zu behalten, obwohl ich eigentlich schon bei einem Kunden in Hamburg
hätte sein müssen, der aber oft auf diesen frühen Terminen bestand. Das
pünktliche Abholen war aus beruflichen Gründen auch ein Problem und Gina
konnte nur bei einem Notfall einspringen.
Hinzu kam, dass abgesehen von den Ferien auch hin und wieder die Masern
oder ähnliche Plagen die zeitweilige Schließung des Kindergartens zur
Folge hatten. Weil das natürlich sehr kurzfristig eintrat, war es für
mich schwierig wenn nicht gar unmöglich, einen Auftrag auszuführen. Da
dies nicht gerade für eine Berufstätigkeit ideale Voraussetzungen sind,
glichen meine Umsätze einer Fieberkurve, die allerdings mehr und mehr
eine fallende Tendenz zeigte.
Manchmal stand mir folgendes Bild eines Mannes vor Augen, der- die
Aktentasche mit überaus wichtigen Papieren in der einen Hand, mit der
anderen die zweite Zigarette des Tages anzündend- sich vor seinem Haus
mit einem zerstreuten Lächeln von seiner Frau verabschiedet.
In Gedanken ist er schon völlig bei der Planung eines geschäftlichen
Deals und sein Chauffeur, die Mütze in der Hand, hat mit der anderen die
Tür des schwarzen, vornehmen Dienstwagens einladend geöffnet. Aus einem
Fenster im Obergeschoss der Villa tönt helles Kinderlachen und im
Hintergrund des Zimmers ist ein nicht mehr ganz junges Kinderfräulein zu
sehen, das gerührt diese morgendliche Szene betrachtet.
Wenn dieser Geschäftsmann dann nach einem langen Tag, an dem
weitreichende Entscheidungen gefällt wurden, wieder nach Hause gebracht
wird, lässt er es sich nicht nehmen, dem abendlichen Badespaß seiner
reizenden Zwillinge beizuwohnen. Vielleicht wird er ja sogar ein wenig
nass und das nicht mehr ganz junge Kinderfräulein tupft ihm verlegen die
Hose trocken. In geselliger Runde erwähnt seine Frau voller Stolz, dass
er sogar schon mal die Kinder ganz allein ins Bett bringt und erst
kürzlich eigenhändig eine Mahlzeit aus Nudeln und Ketchup zubereitet
hat.
Dass ich dieser Mann sein möchte, ist mir allerdings nie in den Sinn
gekommen. Oder etwa doch?
So langsam kann der Eindruck entstehen, als ob sich für mich die
Ereignisse nur von ihrer negativen Seite gezeigt hätten. Dem war aber
nicht so. Vielmehr hatte ich häufig das Gefühl, wirklich gebraucht zu
werden und etwas Sinnvolles zu tun. Ich sah diese große Herausforderung
und nahm sie an.
Ganz wichtig war dabei der Gleichklang und die völlige Übereinstimmung
in Erziehungsfragen mit Gina. Wie oft habe ich die kleinen und großen
Probleme eines Hausmannes nur lösen können, weil wir zu zweit waren und
miteinander reden konnten. Das ist es, was offenbar manche nur
berufstätige Väter nicht sehen und nach der Arbeit von so wichtigen
Dingen wie zum Beispiel dem mysteriösen Verschwinden der Lieblingspuppe
nichts wissen wollen. Sie haben sicher einen anstrengenden und
aufreibenden Tag gehabt. Aber wer sagt denn, dass es zuhause nicht
ähnlich war und da ist die Frage erlaubt, ob das rechtzeitige Anlaufen
der Produktion von z.B. Deodorants wichtiger ist als eine kleine
Familie, die in dieser immer komplexer werdenden Umwelt noch sinnvoll
bestehen soll.
Seitdem habe ich auch großen Respekt vor Alleinerziehenden, die ganz auf
sich gestellt eine sehr schwere Aufgabe zu lösen haben.
Unbestreitbar ist allerdings auch, dass manche Wertvorstellungen ihre
ursprüngliche Bedeutung verloren haben und wir Begriffe wie z.B.
"Familie" neu definieren müssen.
Vielleicht kann dieser Bericht etwas dazu beitragen.
Inzwischen trat eine wichtige Neuerung, nämlich die Schule, in
Erscheinung und veränderte wieder einmal nachdrücklich unser Leben.
Diese Zeit war unter anderem geprägt von: Lernen, Hausaufgaben, guten
und schlechten Lehrern, guten und schlechten Zeugnissen, Sprechtagen und
Elternabenden. Und ganz gewaltigem Frust in Bezug auf diese Institution
und zwar bei uns allen.
Was sich schon im Kindergarten zaghaft andeutete, wurde nun zur
Gewissheit. Unsere fast immer fröhlichen und auch arglosen Kinder
gerieten zunehmend unter äußere Einflüsse. Wir erlebten, wie sie darauf
reagierten und sich veränderten und fremde Menschen in vielerlei
Hinsicht bestimmend auf sie einwirkten.
So soll es ja wohl auch sein, ist jedoch für alle Eltern eine
schmerzliche Erfahrung und der Beginn eines Prozesses, an dessen Ende
die Lösung vom Elternhaus hin zur Selbständigkeit steht.
Wir hoffen aber, dass unsere Kinder sich auch dann unserer Zuneigung
sicher sein können, wenn sie ihr eigenes Leben führen und wünschen uns
dasselbe von ihnen.
Ich könnte jetzt noch vielerlei aufzählen, würde aber Gefahr laufen,
übers Ziel hinaus zu schießen.
Mir ging es im Wesentlichen darum, einmal aufzuzeigen wie sich dieses
komplexe Thema aus einer zumindest ungewöhnlichen Perspektive darstellt.
In all diesen Jahren habe ich versucht, für die Kinder da zu sein, ihre
kleinen und großen Kümmernisse ernst zu nehmen und nicht nur ihre
leiblichen Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei habe ich selbst viel
gelernt.
Auch über mich!
Dafür möchte ich mich bei ihnen bedanken.
Jork, im Januar 1999
Fred Lang
Inzwischen sind zwei Jahre vergangen. Die Kinder wohnen aus beruflichen Gründen
nicht mehr bei uns zuhause.
Wir halten aber engen Kontakt und geben ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten
Hilfestellung beim Start in ein selbstverantwortliches Leben. Ich denke, wir
haben - sozusagen unter etwas anderen Voraussetzungen - einen der schwersten,
aber auch schönsten und wichtigsten Berufe verantwortungsvoll übernommen und
dadurch einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Fortbestand und weiteren
Entwicklung unserer Gesellschaft geleistet.
Ich hoffe, dass in nicht allzu ferner Zukunft der von uns praktizierte
Rollentausch als selbstverständlich angesehen wird und die leider immer noch
vorhandenen Vorurteile weitgehend ausgeräumt sind. Vielleicht habe ich mit
meinem Erfahrungsbericht ein ganz klein wenig dazu beigetragen.
F. L. am 15.03.01