11.04.1997
Nun, gestern war es also so weit - wer diese Rubrik hier öfter liest, hat vermutlich mitbekommen,
daß ich mich dazu habe breitschlagen lassen, in einem Film über "Literatur im Internet" mitzuwirken.
Ich gebe durchaus zu, daß ich mich ja bei allem Befremden auch irgendwo geschmeichelt fühlte,
aber ich fand die Anfrage schon schmeichelhaft genug und hätte ansonsten ohne Probleme ablehnen
können. Leider war Felix sehr an dem Projekt interessiert - ach wühlt hier auf den Seiten nach der Vorgeschichte -
ich komme jetzt zu dem Tag X...
Das Datum stand schon länger fest und irgendwo hatte ich im Hinterkopf, daß ich vorher noch zum
Friseur, zur Maniküre, zur Farbberatung, zu einer Boutique mit Designerumstandsklamotten und
zur Kosmetikerin gehen müßte - aber angesichts des guten Wetters verwarf ich all dies und wühlte
entweder im eigenen Garten herum oder vertrödelte die Tage genüßlich bei meiner Schwester auf
dem Bauernhof. Oh, die Tage dort sind einfach was zum "Seele baumeln lassen". Michaela hat eine
Horde von mehr oder weniger nahe verwandten Cousinen und Cousins um sich, kann durch Schlammlöcher
und sonstige Kinderparadiese waten - und ich sitze faul herum und trinke Tee. (keinen grünen, sondern
irgendwelche von meiner Schwester selbst zusammengestellten und gepflückten Sachen - müssen
gute Rezepte sein, mir geht es dort immer "sauwohl")
Als Michaela gestern zu ihrer Tagemutter ging, brach bei Felix der Putzwahn aus. Er hielt mir
irgendwelche Papiere unter die Nase, die eindeutig schon lange und ungestört auf irgendwelchen
Schränken vor sich hin gestaubt hatten. Nach 6 Jahren Ehe kenne ich das panische Flackern in seinen
Augen, daß mit dem besagten Putzwahn einher geht. Und noch was habe ich in 6 Jahren gelernt:
Halte nie einen putzwütigen Mann davon ab, sich auszuleben...
Ich ging also in die Badewanne. Eigentlich wollte ich meinen Haaren eine Hennapackung aus
dem Bodyshop gönnen (eine, die nicht tönt - das ist mir nur einmal passiert...), aber leider habe ich
das wohl schon mal gemacht, der Hennatopf war leer.
Wenigstens fand ich das Weihnachtsgeschenk meiner Freundin Marion wieder - eine Tube mit einer
"Peelingmaske". Ich trug das Zeug großzügig auf, warf einige Grapefruitbadeperlen in die Wanne,
nahm "Fräulein Smilla" und eine Tasse Kaffee mit und wartete in der Badewanne geduldig auf
das Ende der Putzgeräusche aus dem Untergeschoß...
Zwischendurch rief ich ebenso geduldig nach meinem Gatten, forderte sanft und meinem kommenden Ruhm
angemessen einen neuen Kaffee und wir verbrachten einige romantische Sekunden mit der
Betrachtung meines heftig wabbelnden Bauches, bevor ihm die völlig verdreckte Tastatur unseres
Telefons wieder entschwinden ließ...
Frisch gebadet und gepeelt hatte ich die Kleiderfrage erstaunlich schnell gelöst - schließlich paßt
mir nicht mehr viel und da sie mich ja wegen der "Hausfrauenseite" filmen wollten, verwarf ich
gewagtere "bauchfrei" Varianten und entschied mich für eines dieser niedlichen "Schulmädchenkleider",
in das C&A seine schwangere Kundschaft steckt. Modisch bedenklich, aber preiswert...
Die Strumphose war dagegen ein ernsteres Problem. Normale Strumpfhosen pflegen im 9. Monat
irgendwann einfach vom Bauch zu rollen, sich einen Moment in der Lendengegend zu fangen und dann
langsam aber sicher ganz abzurutschen - Schwangerschaftsstrumpfhosen pflegen sauteuer zu sein
und nach 5 minütiger Tragzeit eine deutlich sichtbare Laufmasche zu bekommen...
Die gestrige Variante war also eine ganz neue Idee - ich kaufte schlicht eine Größe 42-44 - und
stellte fest, daß diese sofort beult und zudem noch rutscht...
Nun, ich vertraue darauf, daß sie im Schneideraum die Szenen, in denen ich energisch meine
Strumpfhosen wieder an passendere Stellen ziehe, herausschneiden...
Um die verabredete Zeit herum starrte ich gerade zufällig aus dem Fenster (...) und entdeckte
auf Anhieb ein Auto, das nicht in die Siedlung gehörte - und 4 dynamische Erfolgsmenschen,
die noch viel weniger in diese Siedlung gehörten. Sie standen rund um das Auto, waren sehr groß
und ich erwartete, daß sie sich gleich sportlich, dynamisch gegenseitig in die Hände klatschen würden.
Keine Ahnung, ob sie dies taten, ich kehrte nämlich ins Bad zurück und putzte erneut meine Zähne.
Auf ein jung-dynamisches Klingeln hin, öffnete Felix die Tür.
Diesmal hatte er zu verhindern gewusst, daß ich zufällig außer haus war und etwas später käme,
wie das bei derartigen Anlässen sonst so meine Art ist. (muß ich erwähnen, daß der arme Kerl
10 Minuten vor dem Altar herumstand, bevor ich kam?)
Ich begab mich also auch ins Erdgeschoß und fand 4 Fremde in meinem Wohnzimmer, die in den
Garten starrten. "Das ist ein Garten", sagte ich freundlich, woraufhin alle 4 in heiteres Gelächter
ausbrachen. Ja, ja, ich bin schon ein kleiner Scherzkeks...
Muß ich es erwähnen? Die 4 hatten keine Chance - ich fühlte mich einfach entsetzlich und daß sie
dann emsig begannen ihre Kameraausrüstung zu holen, hat das nicht gelindert.
Der Journalist tat wirklich sein bestes und schaute ständig gütig oder begeistert drein,
eine nette, aus welchem Grund auch immer anwesende Frau lobte ausgiebig Haus, Garten,
Schildkröten und Kaffee, während der Kameramann seine hellblonden Haare mit einer ausgeprägten
Schuppenflechte zu begründen versuchte. Dann war da noch ein schweigsamerer Herr, den ich
später erfolgreich mit dem Mikrophon in den Wahnsinn trieb.
Nachdem wir angemessen lange und fröhlich genug im Garten gesessen hatten, machten sie
ernst und suchten sich einzelne "Drehorte" aus. Besonders angetan waren sie von der Idee,
daß ich mit meiner Tochter im Kinderzimmer Gesellschaftsspiele spielen sollte und ich wußte nicht
recht, wie ich ihnen erklären sollte, daß ich eine echte Tochter habe - nicht so ein abgerichtetes
Vorzeigekind, wie wir sie aus amerikanischen Spielfilmen kennen...
Nun, ich führte ihnen kurz vor, was ich meinte.
"Michaela, gibst du der Mama mal einen Kuss?"
"nein" sagte sie und ging...
Eigentlich hatte ich ihr ein nettes Kleidchen aussuchen wollen, aber leider hatte sie im Schrank einen
Anzug entdeckt, der ihr letztes Jahr um die Zeit ganz gut gepaßt hatte. Wir hatten ihn nie als
Zweiteiler benutzt, weil er doch etwas "heftig" ist. Schwarzer Nickistoff mit riesigen knallroten Herzen.
Nun, letztes Jahr haben wir uns da noch durchsetzen können, dieses Jahr beschloss meine Tochter,
diesen Anzug zusammen mit den Söckchen mit den Autos drauf und den Blümchensandalen zu
tragen - basta!
Das Kamerateam gab die Gesellschaftsspiele schnell auf und überlegte sich eine neue, herzige Einstellung.
Der Kameramann, setzte all seinen Charme ein, damit Michaela mal zu ihrer Mami geht -
ich hatte eine bessere Idee und versprach die rückhaltlose und vollständige Herausgabe der Osterschokoladenvorräte.
Michaela kam zu mir, sah mich und die Kamera äußerst verdrießlich an und forderte nun die
Schokolade.
Bestimmt eine nette Einstellung...
Davor mußte ich - aus welchem Grund auch immer - kreuz und quer durch den Garten laufen und
dabei in bestimmte Richtungen schauen. Klar doch - was gibt es netteres, als sich im 9. Monat
beim Watscheln, filmen zu lassen...
Ihr meint, das war peinlich?
Vergeßt es - es kam ja noch das Interview.
Der Kameramann fragte mistrauisch, ob ich "Perlmuttlippenstift" benutzt hätte und ich gestand
dieses Vergehen beschämt ein. (irgendwo hier hatte ich mal den weißen Lippenstift erwähnt...)
Das Problem wurde gelöst...
Danach setzte man mich urgemütlich an meinen ungewöhnlich aufgeräumten Schreibtisch,
stellte zwei Scheinwerfer so ein, daß sie mir mitten ins Gesicht strahlten, befestigte mehrfach
ein Mikro an meinem Hängerkleidchen, bat mich zu relaxen und ganz natürlich zu bleiben...
Der Kameramann begann den Fehler, mir zu zeigen, wie ich gerade auf dem Monitor aussah,
was mich dazu brachte, heftig an meiner Kleidung zu zerren und ein erneutes Befestigen des Mikros
nötig machte...
Irgendwie hatte ich auf dem Bild mindestens ein Kinn zuviel...
Dann waren alle ganz leise und mir wurden Fragen gestellt, auf die ich flüssig, locker und
natürlich antwortete... äh?!
Was Boris kann, kann ich schon lange...
Die Scheinwerfer führten zu lustigen Lichtreflexen vor meinen Augen und weckten den heftigen
Wunsch zu gestehen - was auch immer...
"Carola - deine Hausfrauenseite ist eine der erfolgreichsten, deutschsprachigen Homepages -
wie erklärst Du Dir diesen Erfolg"
"äh?! was?! Nö, ist sie nicht - es gibt äh, viel äh erfolgreichere Seiten - äh, kommerzielle Seiten und
äh, solche mit äh Schweinskram - äh, sexuellen Inhalten...
Der Journalist scheint auf so etwas vorbereitet zu sein und stellte seine Fragen mit unendlicher Geduld
in so vielen Varianten, bis ich einige Antworten nahezu "äh-frei" gab.
Wie ich mir den "Erfolg" dieser Seiten erkläre?
Puh, ich denke dadurch, daß ich so dermaßen normal und durchschnittlich bin, daß Ihr Euch alle
ohne größere Probleme mit mir identifizieren könnt. Dadurch, daß ich, wenn ich witzig sein will,
am liebsten mich selber auf die Schippe nehme, aber nicht auf so eine selbstzerstörerische Art,
die nach Streicheleinheiten schreit, sondern recht großzügig.
Ja, ich habe meine Macken - aber ehrlich gesagt, ich mag mich ganz gerne.
Vermutlich ist es das, was Euch hier herlockt - oder auch nicht, was weiß denn ich?
Ihr seid nämlich ganz schön schreibfaul, was diese Rubrik hier angeht!!!
Nun, nachdem das Interview überstanden war, mußte ich nur noch in meiner Küche einen
Einkaufsbeutel ausräumen. Man wird sich angesichts dieses Filmes vermutlich fragen,
was mich dazu treibt, mein Müsli im Kühlschrank zu lagern - nun, leider hatten wir einfach nichts
im Haus, was ich nicht schon brav "eingetuppert" hätte - und sie wollten, daß es so aussieht als
hätte ich gerade eingekauft...
Fazit:
das war genug filmische Anerkennung für ein ganzes Hausfrauenleben und ich bin heilfroh über
jede einzelne Talkshow, die ich weise und vorausschauend abgelehnt habe!