06.04.1997
hatte ich letzte Woche mit einer weiteren "Bewohnerin des Interdorfes"...
Ihr kennt sie als "Yuppie" mit eigener Rubrik auf den Hausfrauenseiten - ich kannte sie bisher nur
über einen regen Mailaustausch und wollte eigentlich auch, daß dies so bleibt...
Ich bin nämlich der Meinung, daß das Internet einem Freundschaften und Bekanntschaften ganz
anderer Art bietet, als der restliche Alltag. Die Freundschaften, die man auf dem Weg durchs Leben
einsammelt und pflegt - sie sind einfach anders. Mir sind viele Gesten und kleine Ticks meiner
Freunde sehr ans Herz gewachsen - im Internet gilt nur das Wort.
Manchmal muß man da ganz schön aufpassen - scherzt der andere, oder ist das wirklich so gemeint,
wie man es gerade versteht? Nun, ich frage in Zweifelsfällen nach, bevor ich mich "gepiekst fühle"
und meist stellt sich heraus, daß die Worte anders umschrieben einen ganz anderen Sinn ergeben,
oder derjenige selbst schon nicht mehr unbedingt dahinter steht, sich so hart geäussert zu
haben. (Thema Blondinenwitze oder der Titel "Haufrauenseiten" reizt doch so manchen...)
Manchmal ist es aber auch ganz anders - man liest eine Mail, grinst breit und antwortet spontan -
der Beginn einer Mailfreundschaft...
Den ganzen Sommer über hatte ich einen wirklich netten Kontakt mit einem weiteren "Homepageinhaber",
mit dem ich mich im Laufe der Zeit über die unmöglichsten Themen austauschen konnte. Hab ich
mich gefreut, wenn ich wieder eine Mail von ihm fand. Nun, es kam der Tag, wo wir die tolle Idee hatten,
zusammen einen Kaffee zu trinken.
Blöde Idee!
Oh, er ist wirklich nett - aber... Einfach nicht meine Wellenlänge! Ihm ging es ähnlich und da saßen wir nun,
die Kaffeetassen in der Hand und krampfhaft nach Themen suchend.
Glücklicherweise fiel ihm bald ein, daß er ja dringend noch waschen mußte und ich ging erleichtert zu meiner
Freundin ins Wollgeschäft, und genoß dort einen Kaffee in ganz anderer Atmosphäre -
danach ging ich noch bei einer Freundin vorbei, die den besten grünen Tee der Welt zubereitet.
Sagt sie zumindest. Ich mag es einfach, bei ihr zu sitzen, einige Stunden auf den Tee zu warten,
gute Musik zu hören, ihr bei dem Bohei zuzusehen und schließlich zwei Löffel Zucker in meine
Tasse zu schaufeln. Das muß so - das ist seit mehr als 10 Jahren eine gute alte Tradition zwischen uns
und ich würde ihr "Teezeremoniell" empfindlich stören, wenn ich den Tee ungesüßt tränke und sie
mich nicht einen "unsensiblen Banausen" schimpfen könnte.
Meine liebgewordene Mailfreundschaft wurde zu einem nichtssagenden, aber durchaus netten
Geplänkel, aber ich schwor mir hoch und heilig, nicht eine weitere von ihnen zu verlieren, indem
ich sie unnötig ins Realleben zerrte.
Nun, Sonja sieht das anders...
Einige Andeutungen konnte ich ja stur ignorieren, aber schließlich stand ein Termin fest und Sonja kam.
Rein zufällig hatte ich mich mit Michaela vertrödelt und so saß Sonja schon mit meinem Göttergatten am
Tisch, schlürfte Kaffee und futterte Michaelas Kinderschokolade.
Beruhigt stellte ich fest, daß sie irgendwie an den Tisch paßte.
Ich meine, sie sah ganz anders aus, als ich mir das trotz Photo vorgestellt hatte - sie brach nicht
in Entzückungsrufe angesichts meiner Tochter aus und heuchelte auch keinerlei Interesse für
die Babyklamotten, die ich aus einem SecondHandladen mitgebracht hatte. Ich relaxte sofort...
Am Rande ein Tip für Eltern aus Köln - der Mauritius-Stein-Weg (nahe Neumarkt)
beherbergt einen SecondHandladen namens Lollipopp und das Spielwarengeschäft "Gebrüder
Grimm". Im Lollipopp gibt es eine Rutsche in einen Ballpool und natürlich jede Menge Kinderklamotten -
auch Umstandskleidung. Mir scheint, daß sie im Preis zur Zeit etwas zu hoch liegen, aber vielleicht
ändert sich das ja wieder...
Gebrüder Grimm ist auf jeden Fall teuer, aber trotzdem einen Besuch wert, da sie ein ungewöhnlich
gutes Sortiment an Holzspielzeug haben, die Bücher sehr gut zusammengestellt sind und und und -
eine Spielecke gibt es dort auch. Wer genug vom Plastikkram und intensiver Beratung à la Toys hat,
sollte hier mal vorbei schauen. Und Vorsicht, an der Kasse lauert die größte Gefahr - einige ausgesucht
gute Bücher - nicht für die Kinder, sondern die Eltern... Bei diesem Besuch habe ich John Irvings
Zirkuskinder als Taschenbuchausgabe und Fräulein Smillas Gespühr für Schnee erbeutet...
Nun, Sonja wollte in die Stadt - mit dem Auto... Unser Auto (oh ja, seit einem Monat haben wir eins...)
steht meist ungenutzt vor der Garage und wäre die nächste Station nicht so weit entfernt, hätten wir
uns nie von der Carsharinginititive "Stattauto" in Köln getrennt!!!
Sonja hat so ein richtiges Singleauto - *kicher* mit Duftbaum am Innenspiegel... Duftrichtung Himbeere...
Oh, keine Panik - wir haben uns darauf verständigt, zu lästern und ich werde auch brav und nur
unwesentlich gekürzt veröffentlichen, was immer sie sich einfallen läßt...
Nun, im Auto tastete sie sich mit starrem Blick auf die Strasse an einigen Stofftieren vorbei an ein
Päckchen Zigaretten heran, fragte "es macht dir doch nichts aus, oder?" und fingerte geschickt eine
Zigarette aus der Verpackung. "Wenn es dir nichts ausmacht, wenn ich dir ins Auto spucke",
erwiderte ich freundlich und schwupps war die Zigarette wieder in der Verpackung -
Schwangere haben einfach die besseren Argumente...
Bevor ihr Sonja jetzt für einen Unmenschen haltet - sie hatte ihr Fenster ganz herunter gekurbelt und
selbst meine sensible Nase hatte nicht mitbekommen, daß ich in das Auto einer Kettenraucherin gestiegen
war...
Ich habe zwar 6 Jahre in der Kölner Innenstadt gewohnt - Belgisches Viertel - aber in diesen 6 Jahren
habe ich es sehr gut zu vermeiden gewußt, Autos zu irgendetwas anderem zu nutzen, als die Stadt
fluchtartig zu verlassen. Mit anderen Worten - wenn ich einmal von meinem gewohnten Heimweg abgekommen
wäre, wäre ich hoffnungslos verloren gewesen. (Ja, es ist einmal geschehen und ich habe das Auto
schließlich einfach geparkt, bin mit der Strassenbahn nach hause gefahren und habe es Felix
überlassen, den Wagen zu holen.) Sonja führte ich also sehr souverän in ein Parkhaus im Belgischen
Viertel... (bleib auf genau dieser Spur, bis ich sage, daß du sie verlassen darfst!)
von dort schleppte ich sie in den Stadtgarten, wo wir ihrer Salatsucht nachkommen konnten. Natürlich
begegnete uns auf dem Weg dorthin ein Bekannter von mir mit Kinderwagen und ich kam nicht
umhin, den darin befindlichen Nachwuchs gebührend zu bewundern...
Nach der Salatpause beschlossen wir noch einen kleinen Spaziergang zu machen und da wir uns gerade
sehr angeregt unterhielten, schlug ich unbewußt alte Pfade ein, die uns an weiteren Bekannten mit
Nachwuchs und diversen Spielplätzen vorbeiführten und Sonja zu breitem Grinsen und lästerlichen
Bemerkungen trieben.
Beschämt führte ich sie schnell in aufregendere Teile Kölns, woraufhin sie mir dann fast überfahren
wurde... Lacht nicht, aber mein Yuppie kommt vom Land. An einer Kreuzung hielt sie mich weiß
um die Nase und etwas panisch mit "Carola, da A-U-T-O!" zurück und ließ sich von meinem
"Sonja, da A-M-P-E-L grün!" nur schwer beruhigen. Schnell brachte ich sie wieder an ein ruhígeres
Plätzchen in ein Cafe (wo es zufällig auch gar köstliche Salate gibt!) und dort verblieben wir bis
spät in die Nacht.
Nun, schön war es - und ich denke an unserer Mailerei und überhaupt den bisherigen Gewohnheiten
wird sich wenig ändern. Weiterhin werde ich ihr hin und wieder kleine, boshafte Erinnerungen schicken,
daß sie da noch diese Rubrik auf meiner Seite hat und ob sie nicht mal wieder Zeit für einen Beitrag
wäre... Und weiterhin wird sie mir dann sofort und ohne weitere Verzögerung schreiben, daß sie
sich sofort und ohne weitere Verzögerung daranmachen wird... Nach der zweiten Erinnerung wird
sie dann wieder schreiben, daß ich ja keine Ahnung habe, welchem Stress sie ausgesetzt ist
(klar, Chattertreffen und die Salatsucht fordert ihren Preis...) und nach der dritten Erinnerung,
trifft nach kaum 4 Tagen ein neuer Beitrag hier ein...
Und ich sehe nun etwas gelassener dem nächsten Treffen mit einer Mailfreundin entgegen - in 2
Wochen schon kommt Birgit.