25.10.98
Wie sagte meine Schwester doch so schön, der ideale Altersunterschied bei Geschwistern beträgt
ca 8 Jahre!
Sprach es und stieg mit ihrem Mann in einen Flieger gen Portugal.
Zurück blieben ihre 3 Töchter, die 12, fast 10 und 6 Jahre alt sind, sowie 70 Kühe,
viele Hühner, einige Perlhühner, ein dummer Hund, ungezählte, verfressene Katzen,
ein brennunlustiger Kachelofen, ein kälteempfindliches Gewächshaus und ich - die
8 Jahre jüngere Schwester mit meinen 2 Kinderlein.
Urlaub auf dem Bauernhof, mit Kinderbetreuung -
andere müssen für so etwas noch bezahlen...
Nun, ich hatte all dies gratis für eine Woche - das was wäre wenn ich eine ganz
andere wäre, eine mit 5 Kindern auf einem Bauernhof in einem Kuhdorf...
Auf mein Wochenende bereitete ich mich sorgsam vor, indem ich mich am Abend davor noch
zu einem Kurztrip nach Mainz zum Spasswellentreffen überreden ließ, was von hier ja
nur 180 km entfernt liegt. Morgens um 3 Uhr war ich wieder in meinem Bettchen, morgens um 9 Uhr dann auf den
Beinen, um in diesem unserem Haus eine Packung Aspirin zu finden.
Kurz darauf setzte ich mich zum letzten Mal in unseren Opel und dann ging es auf der
A4 bis Untereschbach, durch Immepkeppel, Obersteg und Hartegasse durch bis in die Breun,
wo mich Felix mit strahlendem Lächeln erwartete, mir den Autoschlüssel entriss und
eilig heimfuhr.
Was mich erwartete, war ein einwöchiger Kampf mit dem Kachelofen.
Es ist ganz einfach, man nimmt etwas Zeitungspapier, darauf legt man dünneres Feuerholz
und dann einen größeren Holzklotz darauf. Dann zündet man das Zeitungspapier an,
schließt die Klappe, sieht zu, wie die Zeitung verbrennt, flucht, reißt die Klappe wieder
auf, versucht es mit mehr Zeitung, bekommt das dünnere Holz zum brennen, aber der Holzklotz
trotzt meinen Wünschen.
Das Problem ist, daß man den Ofen aber anbekommen muß, damit er nicht total auskühlt, denn dann
muß man im Kamin ein Feuerchen machen, damit nicht das ganze Haus total verqualmt,
sobald man den Ofen wieder anbekommt.
Klar, auf dem Hof gibt es noch mehr Leute, Schwägerinnen meiner Schwester, die nur
darauf warten, mir, der Städterin zu helfen und dann die nächsten Jahre
amüsante Geschichten zu erzählen... Weißt du noch, wie Carola damals mit dem
Ofen kämpfte??? Nicht mit mir!
Das dünne Feuerholz bekomme ich zum, brennen, also wird mit der Axt einfach und
unauffällig eine große Menge kleiner Holzstücke gehackt und alle 10 Minuten lege
ich Holz nach. pfft!
Mittags kommt meine 12 jährige Nichte aus der Schule, öffnet den Ofen, sagt fachmännisch:
da ist zuviel Asche drin! Du verbrennst zuviele Zeitungen!, wirft einen
dicken Holzklotz hinein, schlägt einmal gegen die Ofentür und prompt geht dieser
Holzklotz mit einer Stichflamme in Flammen auf.
Da ist zuviel Asche drin äffe ich sie wütend nach (als sie es nicht mitbekommt)
und frage dann honigsüß, wie es denn in der Schule war.
voll blöd!
Ich werde Wochen brauchen, um Michaela wieder von voll gut und voll geil
abzubekommen...
Am nächsten Tag nähere ich mich vormittags dem Ofen, schichte Papier hinein, kleines
Feuerholz und zünde es an. Kaum brennt es lustig, werfe ich den Holzklotz drauf und
fump ist der Ofen aus...
Also halte ich mich wieder mit dem 10 minütigen Nachlegen von kleinem Feuerholz
über Wasser und erwarte die Rückkehr meiner Nichte.
Nach 4 demütigenden Tagen schlage ich auch einmal gegen die Ofentür und schlagartig
geht der Holzklotz in Flammen auf. Kein Voodoo - an der Tür ist ein kleiner Hebel
für die Lüftung und ich werde keine Mutmassungen anstellen, weshalb die Lüftungsklappe
morgens immer verschlossen war. Ich werde diesem kleinen Biest zu Weihnachten
einfach ein Kelly-Family
T-Shirt schenken! Seit wir ihr das mit der Bekannten meiner Schwester erzählt haben,
kann sie die Kellies nicht mehr leiden voll blöd, ey! und schwärmt nun für die
Spice Girls. Ja, ein T-Shirt von den Kellys und ein megapeinliches Aufklärungsbuch -
das wird meine Rache für die verschwiegene Lüftungsklappe sein!
Was die Kellys ins Out beförderte?
Nun, die Bekannte meiner Schwester war Angelos Tagesmutter - denn, oh Wunder, die
Kellys wohnten lange irgendwo hinter Frielingsdorf. Die sind nämlich etwa so irisch,
wie Mehmet ein Türke ist. (Ihr wißt schon, der kriminelle Knabe, der zur Lösung sämtlicher
Probleme, die dieses unseres Land mit der Jugendkriminalität hat, in die Türkei ausgewiesen
wird, obwohl er hier geboren wurde...)
Die Kellys lebten also hinter Frielingsdorf und damit war ihnen der irische
Zauber genommen. Man muß vielleicht erklären, daß ich selbst in Lindlar aufwuchs -
auch ein ziemliches Kaff, aber Frielingsdorf ist kleiner und streng genommen
ein Teil von Lindlar - also voll blöd. Um das zu verdeutlichen unterschlägt
man in der Aussprache das i zugunsten eines weiteren l - macht dann
Frillingsdorf, ey, voll tot ey!
Bevor mich eventuelle Kellyfans oder Frielingsdorfer killen - die Kellys wohnen doch
jetzt im Schloß Gymmnich (und haben BM-Kennzeichen LOL) und ich selbst habe Frielingsdorf
immer geliebt, obwohl ich es übel fand, daß die Busverbindung in den Schulferien eingestellt wurde...
Eine Woche mit 5 Kindern auf dem Bauernhof und ihr einziges Problem ist der Kachelofen?
Ja, ich weiß auch nicht, was los war, aber die Kinder waren eine Wucht!
Morgens verschwanden die beiden Großen im Morgengrauen in Richtung Bushaltestelle,
während Oliver in mein Bett kam und die beiden anderen die tollsten Wasserfarbgemälde
zusammenpinselten.
Mittags wurden meine Kreationen nahezu anstandslos verspeist nur die Älteste äusserte
einer Schwägerin gegenüber ein voll der Städterfrass!, was aber auch noch
als Kompliment durchgehen könnte, wenn man bedenkt, wieviel sie davon schaffte.
Nach dem Abendbrot legte ich erst Oliver ab, dann wollte ich den beiden Kleinen
das Zubettgehen mit einem Kapitel aus Michel von Astrid Lindgren schmackhaft machen.
Zu meiner Überraschung fand ich 4 Kinder vor, von denen eines Michel immer schon
voll gut fand.
Heute morgen meinten dann alle, ich solle doch noch eine Woche bleiben, dann wären
wir mit den 3 Michel-Bänden durch. Witzig - damit hatte ich nicht gerechnet!
Ansonsten genoß ich das Landleben - Milchholen aus dem Tank mit wirklich frisch gemolkener
Milch, das Sammeln wirklich frisch gelegter Eier und dann die Brokkoliernte im
schwesterlichen Garten. voll gut...
Nach dem ersten Tag gewöhnte ich mir auch an, in den guten Birkenstockgummilatschen
und der Alltagswindundsturmjacke meiner Schwester herumzulaufen. Am ersten Tag hatte
ich Oliver nämlich in seine Gummihose gesteckt, ihm Gummistiefel angezogen, die Gummijacke
drübergezogen und mich in Sicherheit gewähnt, als er seinen Kusinen in die Pfützen folgte.
Und damit meine ich keine kleinen Wasserpfützlein auf dem Asphalt, sondern richtige
Pfützen! Schlammlöcher! Ich selbst in einer Jeans mit ländlicher Stickerei, Turnschuhen
und einer dunkelblauen Segeltuchjacke - landfein halt, wie sich das ein Städter vorstellt...
Oliver hatte viel Spaß in den Pfützen, bis ich fürchtete, er könnte steckenbleiben
und ihn aus einem Tümpel herausfischte. Wütend zappelte er in meinem Arm, bis ich ihn
wieder auf den Boden stellte, damit seine Stiefelchen (Größe 22 - das ist einfach süß!)
nicht mit meiner Jacke in Berührung kämen. Immer noch wütend ging er zwei Schritte
rückwärts. Ein Schritt davon war taktisch unklug, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und
platsch fiel er rückwärts in die nächste Pfütze und in sekundenschnelle füllten sich Gummijacke,
-hose und -stiefel mit Schlamm. Auch die blonden Locken meines Wonneproppens lagen
braun und matschig an seinem Kopf an, während er mich wütend für all das verantwortlich
machte. waaaah!
Es half nichts, Segeltuchjacke hin oder her - ich mußte den kleinen Kerl fest in meine
Arme schliessen und ins Haus schleppen, was er gar nicht recht einsah - ihm hätte es
gereicht, wenn ich ihm aufgeholfen hätte...
Das Schmuddelkind im Arm, nahm meine Nase einen deutlichen Kuhgeruch war, den Schlammpfützen
auf dem Land halt so haben...
Kurz darauf sah man einen frisch gebadeten, duftigen Jüngling im blondlockigen Haar mit
einer total entnervten, hochgradig duschbedürftigen Mutter. Oliver weiß vielleicht
noch nicht viel, aber eines ist sicher - gebadet wird abends, jetzt war kein Abend,
also wollte er nicht baden und damit basta...
Noch etwas später drehten sich eine Gummihose, eine Gummijacke, eine Jeans mit ländlicher
Stickerei, eine Segeltuchjacke und ein Pulli fröhlich in der Waschmaschine,
während ich eine Kaffeetasse in beiden Händen hielt und die Frage meiner Nichte,
weshalb ich soviel Zeitungen verbrennen würde ignorierte.
Sie verstand auch nicht, weshalb ich laut lachen mußte, als sie sagte, daß der Ofen
jetzt voll Asche sei. Ein Blick auf die Uhr besagte, daß ich noch 6 Stunden
vor mir hatte, bis sie schlafen gingen - 6 Stunden und 5 Tage, bis ich wieder in meiner
Reihenhaussiedlung wäre...
Dabei ist Lindlar schön - sehr schön - so putzig, pittoresk, urtümlich und idyllisch!
Mittlerweile sind dort Häuser windschief und mit Fachwerk verputzt, die vor 10 Jahren noch
nicht einmal gebaut waren...
Den ganzen Ortskern haben sie mit urtypischem Kopfsteinpflaster gepflastert und
nun gibt es auch einen uralten Brunnen direkt neben der Kirche, die vermutlich bald
abgerissen wird, weil sie einfach zu neu aussieht...
DER Clou ist dann das neue Freilichtmuseum, indem noch viel mehr ganz alte Häuser
neu gebaut wurden.
Es ist einfach verrückt, in sein Heimatdorf zu kommen, dessen Modernisierung aus viel
falschem Fachwerk und altem Krempel besteht, den es dort vor 10 - ok, 15 Jahren noch
nicht gab. Dafür gab es sehr viel mehr Wiesen...
Und die Geschäfte hatten Familiennamen - ich muß mir einfach abgewöhnen, zu sagen, daß
ich zum Dahl oder zum Ohlow gehe - man weiß sonst nicht mehr, wovon ich spreche -
Kaufhalle heißt das jetzt und Spar und damit basta.
Im Spar traf ich auch eine ehemalige Klassenkameradin, die die Rache aller "Nur Hausfrauen"
zu spüren bekam. Kennt Ihr doch, oder?
Nur Hausfrau? Das könnte ich ja nicht!
Ich stand dort mit 5 Kindern, die alle aussehen, als wären es meine und während ihr
Blick über die Kinderlein wanderte, fragte sie, was ich denn jetzt so mache.
Eigentlich bei der Bank, aber mit dem Jüngsten hier noch im Erziehungsurlaub
Echt? Nur Hausfrau? Das könnte ich ja nicht!
*grummel*
Und, was machst du so?
Wir sind gerade nach Frielingsdorf gezogen
Frillingsdorf? In so 'nem Kaff könnt ich nicht leben! Ich brauch die Stadt, Theater,
die Oper, Museen und Galerien - einfach Leben!
erwiderte ich, ohne auch nur zu erröten, obwohl ich die genannten Gebäude eigentlich
auch nur von aussen kenne...
Ich ließ Köln ein wenig wie New York erscheinen und mußte ihr dann leider ihre
spontane Einladung zum Geburtstag ausschlagen, weil ich dann in San Francisco bin.
Hach! Solche Gelegenheiten hat man einfach viel zu selten!
:-))
Ob ich das Internet vermisst habe?
Ehrlich gesagt: Nein
Wir haben gebastelt - ich habe jetzt einen Stapel Weihnachtsanhänger, einen Teelichtständer in
Weihnachtsbaumform, ein Eichhörnchen und einen Dachs aus Sonnenblumenkernen und
irgendwelchem anderen Kram geklebt, mehrere Ketten mit Nüssen, die ich für die Vögel
in die Bäume hängen kann und auch solche Gebilde aus Kokosfett und Vogelleckereien.
Mein neuer Pulli ist fast fertig und ich kenne mich wieder einigermassen im Fernsehen
aus. Meine älteste Nichte wollte unbedingt XY-ungelöst sehen.
Auf den Fahndungsfotos erkannte ich einige Nachbarn und Freunde und auch die
aufgedunsene Wasserleiche mit der fahlen, spärlichen Zottelmähne schien mir zumindest
durch Fotos bekannt zu sein.
Ich gebe einen lausigen Zeugen ab und verzichtete darauf, sachdienliche Hinweise zu geben...
Ach, das Gewächshaus - also, bei Frost sollte ich abends eine Grabkerze unter einem Blumentopf
anzünden. Jeden Abend kreiste ich nervös um das Gewächshaus. Würde es Frost geben?
Wie sollte ich wissen, ob es Frost gäbe?
Ich fragte die Schwägerin meiner Schwester, die mir jeden Tag freundlich sagte, daß
es keinen Frost geben würde. Landfrauen - die wissen so etwas einfach!
Wenn man einmal in ihrer Gegenwart hustet, hüpfen sie in den Garten, plücken Kräutlein,
wühlen in alten Dosen nach vertrockneten Etwassen, kippen kochendes Wasser
drüber und der Husten ist weg!
Nur Kaffeeangeboten sollte man vorsichtig begegnen. Sie reden von Getreidekaffee mit
Honig und einem Klacks Sahne. Honig! Im Kaffee! bah! Ist mir egal, wie ungesund
weißer Zucker ist (daß ich eigentlich lieber Süßstoff nehme, wagte ich nicht zu erwähnen...
Nein, ich lästere nicht - ich liebe meine Landfrauen, die mir ihr Wissen gratis
zur Verfügung stellen, mich wöchentlich an ihren Geheimnissen teilhaben lassen, ohne mich
je zu arg als Banausen zu beschimpfen. Im Frühjahr ist es dort besonders schön, da
sie dann sehr viele Ableger haben, die ich in meinem Garten verbuddle. Die meisten
Pflänzlein gehen umgehend ein - aber das macht nichts, da die anderen dafür dann alles
überwuchern.
Ich schweife ab...
Abends grübelte ich also wieder, ob es Frost geben könnte und wie ich das merken könnte.
Flogen die Schwalben dann tiefer? Keine Schwalbe zu sehen - vermutlich längst in den
Süden verschwunden...
Vermutlich krabbeln irgendwelche Käfer herum, die sonst nicht herumkrabbeln, wenn
es Frost gibt - oder man muß einfach nur ein Blatt einer bestimmten Pflanze zwischen
den Fingern zerreiben, wenn es ein wenig nach Galle riecht, gibt es Frost?
Gut, ich fragte einfach und todesmutig, wie sie merken, ob es Frost gibt und hier
das Geheimnis:
sie schauen in die Zeitung...
argh!
Das dürfte die Lästergeschichte der nächsten Jahre sein... (das mit dem Ofen haben
sie nicht mitbekommen...)
Was meinst du denn, woher ich weiß, ob es Frost gibt???
Meinst du, ich halte die Hand aus dem Fenster, und wenn sie nach 30 Minuten blau
angelaufen ist, weiß ich, daß es Frost gab???
*hihihihi*
Das nächste *hihihihi gab es, als sie meine professionelle Kindersicherung
am Computer meiner Schwester entdeckte:
den Deckel eines Schraubglases über den Kippschalter geklebt und darüber noch ein Blatt
Papier
Oliver liebt Kippschalter... und wenn der Computer nicht lief, bekommen die Kühe
ihr Futter nicht. Wobei Oliver seine Kippschaltertechnik ganz gemein verbessert hat -
er knipst nun immer zweimal - also nicht einfach aus, sondern auch wieder an - nur,
dann das richtige Programm wieder hochzufahren, daß hat er noch nicht begriffen.
Und dann war da noch der dumme Hund - und die Sache mit dem Pizzataxi, das 1,5 Stunden brauchte
und und und...
Mit anderen Worten, die letzte Woche war voll gut, ey - und ich gehe jetzt schlafen!