24.07.98
Der Besuch ist sicher schon unterwegs, als ich erste Versuche unternehme, aufzuwachen.
Was ist los? Weshalb bin ich nur so müde und verschlafen? Felix schüttet eine perfekte
Kaffee-Milch-Zucker Mischung in meine Lieblingstasse und tröstet mich, das sei das
Wetter. Oder Columbo ist schuld - was hat sich RTL denn dabei gedacht, jetzt Mittwochs
2 Folgen hintereinander zu bringen??? Waren die im Sonderangebot, oder was?
Unter der Dusche stelle ich das Wasser so lange auf kalt, bis ich damit in Kontakt komme,
dann schnell auf lauwarm und einschläfernd... So wird das nichts mit dem Wachwerden...
Nun, eigentlich könnte man den Tag ja einfach vertrödeln. Mit der Sicherung des Weltfriedens
habe ich nichts zu tun und eine Atomspaltung steht auch nicht an. Wie wäre es mit einer
Runde Staubsaugen und dann nichts mehr?
Statt dessen plane ich einen halben Putzmarathon, schliesslich kommen heute Manuela
und ihre Familie aus Österreich, morgen zig Schwangere zum Kugeltreffen und Montag dann
evtl. noch mehr Besuch und ausserdem sind da auch noch die beiden Brasilianer...
2 Tassen Kaffee später ist Felix fröhlich winkend zur Arbeit verschwunden und hier
beginnt das große Aufwachen. Leider nicht bei mir, sondern in diversen Kinderzimmern.
Während wir alle gemeinsam aufräumen und putzen - besonders Oliver ist da sehr hilfreich, wie
er fröhlich ein Buch nach dem anderen aus dem Bücherregal nimmt, um sie danach alle
in die (leere) Badewanne zu schmeissen. Michaela beschliesst, sich das Aufräumen damit
zu erleichtern, daß sie mir all ihre herumliegenden Stofftiere schenkt, sich das
aber ganz schnell anders überlegt, als ich meine: fein, wenn das meine sind,
schmeisse ich sie alle weg!
Sie meint, das sei gemein, ich sage, daß es auch gemein ist, seiner Mami ständig Stofftiere
zu schenken und sie sofort wieder zu enteignen, wenn sie sie alle hübsch weggeräumt hat.
Oliver bekommt einen kleinen Schreikrampf, weil er mit Strümpfen die Rutsche nicht
hochklettern kann, die zu Michaelas Hochbett führt und ich beschliesse bei dem Krach
eine Runde mit dem Staubsauger zu drehen.
Mit dem Staubsauger im Schlepptau komme ich ins Kinderzimmer und habe ein Deja vu -
Oliver versucht barfuß vom Bett auf den Schrank daneben zu klettern. Michaela hat ihm
die Strümpfe ausgezogen. Nun, er verliert das Interesse am Klettern, als er merkt,
daß ich alle Bücher wieder ins Regal geräumt habe.
Ich bin müde, sehr müde.
Gleich putze ich die Küche - aber vorher gehe ich ganz kurz an den Computer. Aus dem
ganz kurz wird natürlich länger. Egal, noch kann ich es schaffen, den Gästen ein saubers
Haus zu präsentieren, da raschelt es im Efeugestrüpp am Haus.
Mit dem Schrubber in der Hand warte ich - was ist es wohl?
Da ich nicht zu den Akte-X Fans gehöre, tippe ich weniger auf ein Alien, als eine
Ratte. Groß muß es sein, so wie es raschelt. Plötzlich raschelt es noch mehr und platsch
liegt ein großes braunes Vieh vor mir, das dem Schrubber nur entgeht, weil ich die
Stacheln entdecke.
Mein Igel!
Igel sollten nie von oben kommen...
Das erinnert an unsere englische Bekannte Nancy, die einen halben Lachkrampf bekam, als
Michaela einmal einen Steinigel in einem Garten sah und freudig auf ihn zeigte. "ein Igel!"
Nancy hat danach noch oft kichernd auf den Boden gezeigt, und "Look, an eagle!" gesagt...
"schau mal, ein toter Vogel... - hat doch was von dem Blondinenwitz, oder? wo die dann
in den Himmel starrt "wo???"
Tja, ok, da kam also ein Igel angeflogen, der durch den Efeubewuchs des Hauses eine
Etage nach unten gerutscht war. Als ich ihn nehmen und wieder hoch in den Garten tragen
möchte, da ich nicht weiß, ob er die Außentreppe schafft, entdecke ich, daß er eine
Wunde am Hals hat. Was nun?
Ich greife mir meinen Kater, bevor der angesichts eines verwundeten Igels auf dumme
Ideen kommt und rufe das Tierheim an. Gleich kommt Besuch und ich kann mir einfach
besseres denken, als mit 2 Kindern und einem Igel im Wartezimmer eines Tierarztes zu
sitzen - meine Küche putzen, zB...
Das Tierheim verweist an die Feuerwehr. Ich frage zweimal nach, aber man beharrt auf
die Feuerwehr. Etwas schüchtern rufe ich da an. Bei meinem letzten schüchternen Anruf
schickte man damals 3 Löschwagen, 1 Krankenwagen und 2 Feuerwehrautos - Nachbarn unter uns
waren eingeschlafen und hatten einen Braten vergessen, der friedlich vor sich hinkokelte...
Nun, es kam nur ein Auto mit 2 netten Feuerwehrleuten, die mir dann meinen Igel wegnahmen.
Bringen sie den wieder, wenn er wieder gesund ist?
fragte ich und blitzte ab. Er wird im Wald ausgesetzt. Mein Igel...
Wir haben einen riesigen Aststapel in einer Gartenecke, damit er sich wohlfühlt - und
jetzt wird er im Wald ausgesetzt. Na, Hauptsache er wird wieder gesund und... *sniff*
Ne, die Küche habe ich dann nicht geputzt, sondern nur noch einen Kaffee gekocht und
traurig auf den Igel angestossen...
Ach, was soll es - der Besuch scheint nicht auf pingelig saubere Küchen zu achten :-)
Und jetzt brutzelt gerade eine köstliche Spinatpizza im Ofen,
das Kölsch steht im Kühlschrank, 3 Kinder
schlafen schon friedlich und Oliver kann seine Augen auch kaum noch offen halten.
Mit anderen Worten, gleich sitzen wir zu viert faul im Garten und ignorieren
ungeputzte Küchen bis Montag :-)
...nur auf meinen Igel brauch ich nicht zu lauschen...