20.02.1998
Dieses Buch suche ich derzeit - hat es jemand? Wurde es bereits geschrieben?
Wenn Michaela an ihren Haarspitzen oder Fingernägeln kaut, mit dreckigen Schuhen ins Haus rennt, ihren
benutzten Löffel auf die Tischdecke, statt auf die Unterlage legt oder genüsslich in der Nase herumpuhlt,
kann ich ohne Probleme herumschimpfen und mich wunderbar über Gebühr aufregen.
Wenn Michaela in die Hose macht, ihre Klamotten einsaut, ihren Teller nicht leer macht oder viel Lärm
macht, schimpfe ich nicht - Kinder sind so, fertig. Und Mütter, die teure Markenklamotten kaufen und vom
Nachwuchs Sauberkeit verlangen, habe ich eh gefressen.
Völlig aus dem Gleichgewicht gerate ich aber, wenn Michaela richtig schlimme Sachen anstellt. Gestern
bemalten sie und ihre Freundin das Auto neuer Nachbarn - mit einem Stein. Die Nachbarn waren sehr nett,
erkundigen sich bei ihrer Versicherung, wie es jetzt weitergeht, verzichteten aber auf Theater.
Mir war das sehr peinlich und ich stand etwas fassungslos vor einer glitzernden Zauberfee, die mir auch nicht
recht erklären konnte, weshalb sie das getan hatte. Sie wußte daß es falsch war, weil erst kürzlich eine Freundin
von ihr einen Heidenärger dafür bekommen hatte und wir das Thema besprochen hatte. Tief in mir freute ich mich,
daß mein vernünftiges Töchterlein nicht zu nutzloser Zerstörung neigte - zu früh gefreut.
Hilflos stocherte ich im Katalog geeigneter Strafen herum - die meisten Strafen sind einfach kontraproduktiv.
Ich sagte ihr, daß sie zur Strafe den Rest des Tages keine Süßigkeiten bekäme, was gleich doppelt sinnlos
war. Erstens, so erklärte mir meine Tochter, habe sie im Kindergarten zur Karnevalsfeier schon sehr viel
Süßes gegessen und zweitens, so habe ich mal gelesen, erziehe ich sie damit zum Moppel, da sie sich
später mit Süßigkeiten belohnen wird. Und dank gewisser mütterlicher Gene, sollte ich das nicht noch
fördern...
Ich steigerte die Strafe, indem ich ihr sagte, daß die Barbie im Wiederholungsfall ein Ende in unserer
Mülltonne fände. Dumpf stieg in mir die Erinnerung an den Tag auf, wo ich wollte, daß sie aufräumt und ihr gedroht hatte,
all ihr Spielzeug in den Mülleimer zu werfen, wenn sie mir nicht zumindest hälfe.
Prompt half sie mir und stopfte alles in den nächstbesten Papierkorb.
Mühsam veruchte ich nun, ihr zu erklären, was doch eigentlich ganz offensichtlich war - daß man Autos nicht mit
Steinen verkratzt. Da mir keine gescheite Strafe einfiel, bestand ich auf eine Wiedergutmachung und sagte
möglichst streng, sie müsse nun ein Bild malen. Gar nicht so einfach, ein Kind zu etwas zu zwingen, was es eh gerne
tut. Ich bestand darauf, daß das Bild sehr bunt und voll wurde und verlangte unerbittlich Nachbesserungen, als sie
mir ein Blatt bunten Gematsches unter die Nase hielt.
Zur Vollendung des Kunstwerks, klebte sie auch noch all die von mir erbettelten Pailletten auf das Blatt. Dann gingen
wir zu unserer neuen Nachbarin, klingelten und kurz darauf kam sie schlaftrunken im Bademantel an die Tür.
Wenn es uns mit dem Zerkratzen ihres neu wirkenden Autos schon nicht gelungen war, uns unbeliebt zu machen...
Es scheinen wirklich sehr nette Leute zu sein, denn sie war ganz begeistert von dem Gemälde, freute sich
angemessen über die Pailletten, auf die meine Tochter energisch hinwies und versicherte mir, daß sie eh jetzt
hätte aufstehen müssen.