Magersucht und Bulimie
Als Magersucht wird die krankhafte Entwicklung der Nahrungsmittelaufnahme bezeichnet. Unter
Magersucht leiden vor allem junge Frauen. Sie essen sehr wenig oder gar nicht mehr. Aus der
Magersucht entwickelt sich in vielen Fällen (etwa 60%) eine sogenannte Bulimie (Ess-Brech-Sucht).
An Bulimie Erkrankte essen extrem viel und erbrechen im Wechsel.
Diese Formen von Ess-Störung sind sehr gesundheitsschädlich bis lebensbedrohlich. Folgen
sind u.a. Schädigungen der Speiseröhre und totale Abmagerung, was zu Kreislaufproblemen
und Zyklusstörungen führt.
Wie kommt es zu Essstörungen, was sind die Ursachen?
Die Ursachen für Magersucht und Bulimie sind psychischer Natur. Krankhafte Ess-Störungen
sind in der Regel nicht körperlich bedingt und liegen nicht im mangelnden Interesse an
Nahrungsmitteln begründet. Ganz im Gegenteil: Mager- oder Ess- und Brechsüchtige
beschäftigen sich fast ausschließlich mit Essen.
Bei der Entwicklung solcher Erkrankungen spielen viele Faktoren eine Rolle. Soziokulturelle,
individuelle und familiendynamische sowie genetische und biologische Aspekte haben Einfluss auf die
Ausbildung von Ess-Störungen. Konkreter Auslöser kann ein einschneidendes Erlebnis sein.
Auch der Druck, den Werbung und Medien hinsichtlich modischer Trends und Schönheitsideale
ausüben, kann zur Entwicklung eines krankhaften Essverhaltens beitragen. Aus dem
Schlankheitstick kann eine ernsthafte Störung entstehen, aber der Wunsch abzunehmen hat
natürlich in der Regel nichts mit Magersucht zu tun.
Hinter einer Anorexie steckt mehr als der Wunsch dünn zu sein. Häufig fehlt die Anerkennung.
Magersüchtige lehnen ihren Körper absolut ab, fühlen sich wertlos und suchen
Aufmerksamkeit. Essgestörte Menschen glauben, ihrer Umwelt etwas beweisen zu müssen und
wollen mehr erreichen als möglich ist. Viele leben in der Überzeugung, dass sie mit dem
Eintritt in das Erwachsensein perfekt sein müssen, stehen dem aber hilflos gegenüber und
versuchen indirekt ihre Entwicklung aufzuhalten. Auch die Angst vor Sexualität spielt häufig
eine Rolle. Hier kann mit gründlicher Aufklärung von Seiten der Eltern geholfen werden.
Ess-Störungen werden weiterhin als Flucht vor der Realität erklärt, als Möglichkeit
Macht zu erfahren, sich zu zerstören, sich von der Familie abzugrenzen, die innere Leere
auszufüllen, als Ausdruck von Leiden und als Ersatz für fehlende Freunde.
Wie äußert sich Magersucht?
Bei Magersucht, in der Fachsprache Anorexie, steht der krasse Gewichtsverlust im Mittelpunkt, den
die Betroffenen selbst herbeiführen. Dahinter steht eine krankhafte Angst zu dick zu sein oder
zu werden. Magersucht fängt meist mit einer Diät an, setzt sich mit einer Umstellung der
Ernährung fort, Nahrungsmittel werden sehr gezielt ausgewählt, und oft folgt der Wunsch nicht
mehr mit der Familie essen zu müssen. Auf Essen wird immer häufiger verzichtet, mehr
sportliche Aktivitäten ausgeübt und durch die Einnahme von Abführmitteln wird die
Gewichtsabnahme erzwungen. Auch Erbrechen wird als Mittel eingesetzt, um das Körpergewicht zu
reduzieren. Magersüchtige haben ein völlig verzerrtes Körperbild von sich selbst. Sie
haben kein Hungergefühl mehr und auch kein Völlegefühl.
Hauptsächlich betroffen sind junge Mädchen im Alter zwischen 12 und 20 Jahren (oft in der
Pubertät), aber auch erwachsene Frauen und Männer können an Magersucht erkranken. Die
Krankheit wird in der Regel von Beginn an verleugnet. Durch das ständige Vertuschen- wollen,
leben die von Anorexie Betroffenen in permanenter Spannung mit ihrem Umfeld, was nicht selten in
sozialer Isolation mündet.
Wie äußert sich Bulimie?
Die Betroffenen sind nur noch mit der Planung der nächsten Nahrungsaufnahme beschäftigt.
In einem sogenannten Fressanfall werden Unmengen an Kalorien (angeblich bis zu 50.000) zu sich
genommen. Hinterher wird das Essen ausgebrochen und so das Körpergewicht reguliert. Bulimiker
müssen nicht auffällig dünn oder dick sein. Die Natur scheint überlistet, bis erkannt
wird, dass man aus diesem Kreislauf aus eigener Kraft nicht mehr ausbrechen kann. Das Verlangen nach
Essen wird unbändig stark, jeder Versuch ihm standzuhalten, führt nur zur nächsten
Fressattacke.
An Bulimie erkrankte Menschen leiden unter starken Schuldgefühlen, wenn sie mal wieder den
Kühlschrank leergegessen haben. Oft sind sie aufgrund der extremen Esserei verschuldet oder
essen ihrer Familie im wahrsten Sinne des Wortes sie Haare vom Kopf. Den Essattacken folgen massive
Selbstvorwürfe und depressive Zustände, von denen sie sich wieder nur durch den nächsten
Fressanfall befreien können. Hintergrund ist eine übermäßige Sorge um die Figur.
Bulimie beginnt hauptsächlich im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, betroffen sind meist Frauen,
aber auch Männer und Jugendliche können Bulimie haben. Von Bulimie Betroffene versuchen
aus Angst, keine Kontrolle über sich zu haben, ihre Ess- und Brechsucht zu verheimlichen und
kapseln sich dadurch von der Außenwelt ab.
Welche gesundheitlichen Folgen haben Essstörungen?
Anorexie und Bulimie bringen verschiedene körperliche und organische Schäden mit sich, die
auf das Hungern, Erbrechen und den Missbrauch von Abführmitteln zurückzuführen sind.
Mit Behandlung der Krankheit verschwinden nicht immer auch die Folgeschäden. Es kann zu
lebenslangen Behinderungen kommen. Folgen sind unter anderem:
- Amenorrhoe: Ausbleiben der Menstruation
- Herz- Kreislaufstörungen (Bläuliche Verfärbung der Hände und Füße)
- Magen-Darmbeschwerden: Störungen im Verdauungstrakt und Stoffwechsel-störungen,
Magenerweiterungen und -durchbruch
- Anorektiker leiden unter trockener Haut, greisenhaftem Aussehen, flaumartige Behaarung an
manchen Körperpartien
- Bulimiker haben oft Probleme mit den Zähnen durch das häufige Erbrechen
- Schlafstörungen
- Muskelschwäche
- Depressionen
Die Ess-Störung an sich ist keine Suchterkrankung obwohl es viele Parallelen gibt. Bulimiker
neigen jedoch zu einem Suchtmittelmissbrauch, das heißt sie rauchen, trinken und nehmen
eventuell sogar Drogen.
Wie können Eltern eine Essstörung erkennen und ihre Kinder unterstützen?
Eltern sollten vor allem nicht die Augen verschließen, wenn sie merken, dass ihr Kind ein
Problem hat. Wenn die Anzeichen auf eine ernsthafte Störung hinweisen, sollte man auf keinen
Fall abwarten und hoffen, dass es vorübergeht oder nur ein Pubertätstick ist. Bei
Magersüchtigen ist die Ess-Störung deutlich am Essverhalten zu erkennen, eine Bulimie ist
schwieriger festzustellen. Wenn der Verdacht besteht, kann man nur aufmerksam beobachten. Ein
Alarmzeichen ist zum Beispiel, wenn die Periode ausbleibt. Es macht keinen Sinn das Kind anzugreifen.
Besser sind neutrale Fragen nach dem Befinden und eine echte Anteilnahme, damit sich das Kind
ernstgenommen fühlt. Man kann dem Kind auch ein Buch zum Thema geben, damit es sich selbst
informieren kann.
Oft dauert es sehr lange bis eine Essstörung als krankhaft erkannt wird, weil die Betroffenen
selbst aus essgestörten Familien kommen und auffällig häufig aus sehr
leistungsbezogenen Familien. Sobald Sie bemerkt haben, dass ihr Kind essgestört ist, sollten
sie eine spezielle Beratungsstelle aufsuchen. Der Hausarzt kann bei diesen Symptomen in der Regel
nur wenig Hilfestellung geben, aber er kann sicher einen Experten vermitteln. Es ist ganz wichtig
eine gute Therapeutische Einrichtung zu finden. Natürlich muss das Kind Hilfe annehmen wollen,
nur dann funktioniert eine Therapie. Aber Eltern können die Entscheidung, sich professionelle
Hilfe zu holen, forcieren und unterstützen. Therapien können stationär, ambulant
sowie in einer Tagesklinik durchgeführt werden. Auch der Kontakt zu anderen Angehörigen in
einer Selbsthilfegruppe kann sehr hilfreich sein.
Fazit:
Diese Form von zwanghaftem Handeln ist nur noch durch therapeutische Hilfe in den Griff zu kriegen.
Umwelt sollte mit den Betroffenen Geduld und Verständnis haben und sie nicht in die Isolation
abgleiten lassen. Kranke können sich zwar letztendlich nur selbst helfen, sind aber dennoch auf
Unterstützung angewiesen. Nur zwingen kann man sie nicht. Das Wichtigste ist erst mal, dass sie
wieder essen lernen, aber damit sind nicht die Ursachen der Krankheit behoben. Es kann Jahre dauern
bis Essgestörte ein stabiles Gleichgewicht gefunden haben.
Magersucht und Bulimie. Verstehen und bewältigen
(Monika Gerlinghoff/Herbert Backmund/Norbert Mai, Beltz Verlag 1999, ISBN 340722804X, DM 19.90)
Essen will gelernt sein - Essstörungen vorbeugen, erkennen, behandeln
(Monika Gerlinghoff/Herbert Backmund, Beltz Verlag 2000, ISBN 340722104, DM 24.90)
Magersucht und Bulimie. Innenansichten. Heilungswege aus der Sicht Betroffener und einer Therapeutin
(Monika Gerlinghoff, Klett Verlag 1996, ISBN 3608896538, DM 36.00)
Magersüchtig, Eine Therapeutin und Betroffene berichten
(Monika Gerlinghoff, Piper Verlag 1996, ISBN 3492211453, DM 16.90)
Alice im Wunderland. Leben mit Bulimie und Magersucht
(Marya Hronbacher, Campus Verlag 1999, ISBN 3593361620, DM 39.80)
Mein Körper, mein Feind
(Claire Beeken, Rosanna Greenstreet, Lübbe Verlag 1998, ISBN 3404614224, DM 12.90)
Kontaktadressen bei Ess-Störungen:
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Ingrid Mieck
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Tel. 089 / 502 12 12
Fax 089 / 502 25 75
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